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Gut gerüstet für’s Leben

Juli 2018

Wie der Zufall so spielt. Kaum hatten wir unsere Interviewanfrage abgeschickt, antwortete Harvard-Professorin Anna Mandinova, dass sie momentan gerade in Europa und der Schweiz unterwegs ist. Leider konnten wir die Biozentrum Alumna nicht persönlich treffen. Wen sie aber vom Biozentrum getroffen hat – nach fast 18 Jahren – verrät sie im Interview.

Werfen wir kurz einen Blick zurück. Sie sind in Bulgarien geboren. Hat die Öffnung des Eisernen Vorhangs Ihr Leben beeinflusst?
Ich hatte damals gerade mein Abitur gemacht und begann an der Medizinischen Universität in Sofia zu studieren. Die politischen Veränderungen fielen somit mit dem Beginn meines Erwachsenenlebens zusammen. Für meine Generation erschien es so, als ob sich alles auf’s Mal verändert. Wir mussten uns daher nicht so stark umstellen wie zum Beispiel unsere Eltern.

Sie haben ursprünglich Medizin studiert. Warum haben Sie sich entschlossen noch einen PhD zu machen? War es nie eine Option als Ärztin zu arbeiten?
Mein Ziel war von Anfang an eine wissenschaftliche Karriere in der Medizin. Aber dann wurde mir klar, dass ich für die Arbeit als Medizinerin in der Wissenschaft eine Menge Zeit investieren müsste, zum Beispiel um meine klinische Ausbildung abzuschließen. Das war mir zu aufwändig. Ich steckte immer gerade inmitten eines spannenden Projektes und neigte sich dies zum Ende, stand schon das nächste vor der Tür und das ging immer so weiter....

Wie kam es schliesslich, dass Sie am Biozentrum promovierten?
Mein Mann ist Kardiologe und erhielt damals ein Stipendium der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie. Damit ging er ans Universitätsspital Zürich, um klinische Forschung in der interventionellen Kardiologie zu betreiben. Ich folgte ihm in die Schweiz, kurz nachdem ich mein Medizinstudium in Bulgarien abgeschlossen hatte. Ich fand, es sei gerade der richtige Zeitpunkt, mich mehr in die Grundlagenforschung einzuarbeiten. An der Universität Basel gab es ein sehr attraktives MD/PhD-Programm. Und schliesslich fand ich auch noch ein spannendes Projekt, in dem die molekularen Mechanismen der Funktionsstörung des Herzens erforscht werden sollten. Es war ein "Joint Venture" des Biozentrums und der Kardiologie des Universitätsspitals. Ich hatte mich sofort beworben und war ziemlich aufgeregt, als ich meine zukünftigen Betreuer Ueli Aebi und Dan Atar zum ersten Mal kennenlernte. Und ich hatte Glück, kurz darauf konnte anfangen.

Ihre Promotion hat also eine Brücke zwischen der Strukturbiologie und der Kardiologie geschlagen. Worüber haben Sie geforscht?
Ich hatte verschiedenste Aspekte zur Struktur von Myokardfilamenten untersucht. Meinen Doktorvater Ueli hatte ich seit fast 18 Jahren nicht mehr gesehen. Doch vor zwei Wochen, während einer meiner regelmässigen Reisen nach Europa, machte ich einen Zwischenstopp in Bern und wir hatten gemeinsam mit seiner Frau Janine einen wundervollen Abend. Da kamen viele schöne und herzerwärmende Erinnerungen hoch.

Was haben Sie von Ihrer Zeit am Biozentrum mitgenommen?
Das ist eine schwierige Frage, vor allem, weil sich mein Leben zu der Zeit auf der Überholspur befand. Tiefgreifende Veränderungen schienen eher Alltag als Ausnahme zu sein. Innerhalb dieser fünf Jahre absolvierte ich das MD/PhD-Programm, ich arbeitete am Biozentrum, am Universitätsspital Basel und an der Universität Zürich; meine Tochter wurde geboren und wir beschlossen, den grossen Schritt in die USA zu wagen. Um es kurz zu fassen: Meine Zeit im Biozentrum hat mich auf all das was das Leben so bietet gut vorbereitet.

Heute arbeiten Sie im Bereich Dermatologie an der Harvard Medical School. Woran forschen Sie und wirkt sich Ihre Arbeit auch auf das Leben von Patienten aus?
Ja, in der Tat. Ich arbeite hauptsächlich in der Abteilung für Dermatologie an der Harvard Medical School. Das Modellsystem, welches wir verwenden, ist die Haut. Daran erforschen wir die Biologie von Stammzellen und von Epithelkrebs. Unser Portfolio ist dabei sehr vielfältig. Wir untersuchen zum Beispiel die Mechanismen der posttranskriptionellen Regulation des Verhaltens von Stammzellen, parallel dazu unternehmen wir große Anstrengungen in der frühen Entwicklung von Medikamenten. Letzteres hängt auch mit meiner Ernennung ans Broad Institute of Harvard/MIT zusammen. Als Teil des Harvard Stem Cell Institute haben wir uns in jüngster Zeit immer mehr auf die Erforschung von Gentherapieansätzen in Bezug auf die Haut spezialisiert. Die meisten unserer Studien sind translational und werden in enger Zusammenarbeit mit Industriepartnern durchgeführt. Und ich bin Mitbegründerin von SeylanMed, einem Biotech-Startup, das, so hoffen wir, sich einmal auf das Leben von Patienten auswirken wird.

Seit bald 15 Jahren leben Sie in den USA. Was schätzen Sie dort am Leben und Arbeiten?
Boston ist mit seinen erstklassigen Forschungseinrichtungen einer der weltweit besten Orte für Wissenschaftler. In letzter Zeit sind zahlreiche R&D-Abteilungen kleiner und grosser Pharmaunternehmen nach Boston gezogen, das macht die Gegend zum mit Abstand begehrtesten Standort für translationale Medizin. Ich schätze mich glücklich, dass ich Teil der Harvard/MIT-Fakultät bin. Auch das Leben an sich lässt hier keine Wünsche offen. Und gleichzeitig … vermissen wir Europa, die Kultur, die Natur und die Nähe zu unserer Heimat. Ich wünschte, ich könnte beides haben, aber ich denke, Boston ist ein guter Kompromiss.

Sie haben zwei Kinder. Wie schwierig ist es, Familie und wissenschaftliche Karriere zu vereinbaren?
Ich habe eine 18-jährige Tochter, die gerade ihr Abitur gemacht hat und auf dem Weg zur College ist. Sie hat sich für ein medizinisches Vor-Programm entschieden und möchte Ärztin werden. Mein 9-jähriger Sohn hat jetzt die dritte Klasse beendet. Es ist in der Tat schwierig, Familie und wissenschaftliche Karriere unter einen Hut zu bringen, vor allem eine so vielfältige wie meine. Wenn man an all die Verpflichtungen und das viele Reisen denkt, dann ist das schon eine ganz schöne organisatorische Herausforderung. Mein Mann ist noch beschäftigter als ich, trotzdem geniessen wir beide unser Leben so wie es ist. Und wir sind sehr glücklich darüber, dass sich unsere Kinder so gut assimiliert haben. Wir glauben, dass dies ein Teil dessen ist, was sie in der Welt, in der wir jetzt leben, lernen müssen.

Ganz zum Schluss, wie ist Anna Mandinova privat?
Ich verreise sehr gerne mit meiner Familie. Ich höre gerne Musik, lese Bücher, schaue meiner Tochter beim Turniertanz und meinem Sohn beim Fussballtraining zu. Ich mag Sport: Ich bin ein sehr grosser Fussballfan. Hier in den USA habe ich entdeckt, dass auch American Football toll ist und langsam beginne ich sogar diesen Sport zu verstehen. Wenn man in Boston lebt, ist das ein Teil des Lebens und ich muss zugeben, ich bin ein leidenschaftlicher Patriots-Fan und liebe es, sie spielen und gewinnen zu sehen! 

Curriculum vitae
Anna Mandinova ist derzeit Assistenz-Professorin für Dermatologie an der Harvard Medical School in Boston und assoziiertes Mitglied des Broad Institute am MIT/Harvard. Sie erhielt 1995 ihren Doktor in Medizin an der Universität Sofia, Bulgarien, und arbeitete anschliessend als MD/PhD Research Fellow am Biozentrum unter der Leitung von Prof. Ueli Aebi und am Universitätsspital Basel unter Prof. Dan Atar. 2004 zog Anna Mandinova nach Boston, USA, wo sie als Postdoktorandin am Departement für Dermatologie an der Harvard University forschte. Im Jahr 2008 wurde sie dort zur Assistenzprofessorin ernannt.