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Nobelpreis verschafft mehr Gehör

Anregende und manchmal erfrischende Spaziergänge zwischen seiner Wohnung und dem Biozentrum – das ist das Erste was dem berühmten Kalifornier einfällt, wenn er an sein Sabbatical im Labor von Prof. em. Gottfried Schatz in den frühen 1980er Jahren zurückdenkt. In ALUMNInews lässt uns Nobelpreisträger Prof. Randy Schekman an seinen Erinnerungen aus dieser Zeit teilhaben, erzählt uns, wie „der“ Telefonanruf sein Leben verändert hat und warum er sich für Veränderungen in der Publikationslandschaft einsetzt. 

Wie kam es, dass Sie hier am Biozentrum zu forschen begannen?

Mein bester Freund Bill Wickner und ich hatten uns mit unseren Ehefrauen zum Dinner verabredet. Uns beiden stand ein Sabbatical bevor und wir unterhielten uns darüber, wo wir mit unseren jungen Familien hingehen wollten. Und wir dachten, es wäre doch nett, wenn wir wieder zusammenarbeiten könnten, so wie früher in Arthur Kornbergs Labor in Standford. Bill und ich waren sehr beeindruckt vom Biozentrum, besonders von Jeff Schatz‘ bahnbrechenden Arbeiten über den Import von Proteinen in die Mitochondrien. Ich hatte gerade eine unbefristete Anstellung an der University of California in Berkeley erhalten und erhoffte mir nach diesem Jahr, mit neuer Inspiration nach Berkeley zurückzukehren und dort meine biochemischen Forschungen zum Vesikeltransport in Hefen fortzuführen. Also schrieben wir einfach an Jeff Schatz, der sofort zusagte und uns herzlich einlud.

Was ist Ihnen aus dieser Zeit besonders lebendig in Erinnerung geblieben?

Die Zeit mit der Familie und unsere Reisen quer durch Europa und die Schweiz, Skifahren in Österreich und eine Bahnfahrt nach Venedig. Zwei Monate nach unserer Ankunft wurde meine Tochter Lauren im Frauenspital in Basel geboren. Das war ein anstrengendes Jahr für uns, denn wir bekamen kaum Schlaf. Und dann, während der anstrengenden Rückreise in die Vereinigten Staaten, erfuhren wir bei unserer Ankunft in New York, dass die Fluggesellschaft gerade Bankrott gegangen war  und unser Weiterflug nach San Francisco ersatzlos gestrichen wurde. In Panik kaufte ich schnell ein Ticket bei einer anderen Airline und als wir an Bord gehen wollten, sagte man uns, dass es nur noch Platz für drei Personen hätte. Meine Frau drückte mir einfach eine Zahnbürste in die Hand und ich sagte, ich würde gleich wieder aussteigen. Zum Glück tauchte dann ein Passagier nicht auf!

Sie waren Mitglied des Biozentrum Scientific Advisory Board. Was waren Ihre Aufgaben?

Ich war mehrere Jahre im Biozentrum Scientific Advisory Board. Ich half bei der Evaluation einiger Mitarbeiterhinsichtlich einer Weiteranstellung und stand beispielsweise bei der Administration des PhD-Trainingsprogramms oder beim Führungswechsel am Biozentrum beratend zur Seite. Und jedes Jahr wenn ich das Biozentrum besuchte, machte ich bei einem Laden in der Nähe meines Hotels Halt und kaufte Basler Läckerli! 

Vergangenes Jahr wurden Sie mit dem Nobelpreis für Medizin oder Physiologie ausgezeichnet. Wie haben Sie reagiert, als der Anruf kam?

Der Anruf kam um 1.20 Uhr in der Frühe. Ein Anruf mitten in der Nacht bedeutet in der Regel nichts Gutes. Aber ich wusste beim Zubettgehen, dass die Verleihung der Nobelpreise bevorstand und ich versuchte einen Newsartikel aus Stockholm zu vergessen, der von „Fünf Entdeckungen, die noch nicht mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden“ handelte. Eine davon war die Arbeit von Rothman und Schekman. Ich versicherter meiner Frau, dass dies gar nichts zu bedeuten habe und dass das reine Spekulation sei. Aber ich selbst fand das Ganze auch ein wenig beunruhigend. Da ich an diesem Abend aber gerade erst aus Frankfurt zurückgekehrt bin, war ich so müde und jet lagged, dass ich, mit Hilfe einer Schlaftablette, wie ich zugeben muss, schon um 21:00 Uhr schlief. Ich hatte so tief und fest geschlafen, dass ich das Klingeln des Telefons gar nicht hörte, dafür aber meine Frau. Und sie platzte sofort heraus „Das ist er!“. Irgendwie bin ich dann ans Telefon gestolpert. Die weichen in einem unmissverständlichen schwedischen Akzent gesprochenen Worte bestätigten mein Gefühl sofort und ich war total aufgeregt. Es war Goran Hanson, Sekretär des Komitees für Physiologie oder Medizin, der mir zum Gewinn des Nobelpreises gratulierte. Danach versicherte er mir, dass das kein Scherz sei, aber auf diese Idee war ich gar nicht gekommen, denn ich kannte seine Stimme. Wir sassen früher gemeinsam im Jeantet-Preiskomitee. Und nach so vielen Jahren, in denen mir gesagt wurde, dass genau dies passieren könnte, waren meine ersten, sehr uneleganten Worte: „Oh mein Gott, oh mein Gott!“

Wie hat dieser Preis Ihr Leben verändert?

Ich reise zu viel und gebe zu viele Interviews! Aber es hat auch seine guten Seiten, denn ich kann mir heute für meine wichtigen Anliegen besser Gehörverschaffen. Meine drei Kernanliegen sind höhere Bildung für alle, die öffentliche Unterstützung der Grundlagenforschung -  insbesondere angesichts des exzessiven Drucks, Mittel für angewandte Forschung frei zu machen -  sowie der negative Einfluss des „Impact factor“ in der Bewertung was und in welchen Zeitschriften publiziert wird. 

Schon seit einiger Zeit lehnen Sie es ab, in den Top-Zeitschriften wie Cell, Nature und Science zu publizieren. Warum?

Ich glaube der Druck in nur einigen wenigen ausgewählten Zeitschriften zu publizieren, hat unser ganzes Bewertungssystem wissenschaftlicher Leistungen durcheinander gebracht. Die Zeitschriften Cell, Nature und Science (CNS) und ihre Ableger, haben in der Art wie sie ihre Magazine verkaufen unseren Wunsch nach Exklusivität schamlos ausgenutzt. Die Anzahl an Publikationen, die von ihnen akzeptiert werden, ist künstlich limitiert, in der Regel auf weniger als zehn Prozent der eingereichten Artikel. Die CNS-Zeitschriften beschäftigen meist professionelle Editoren die darüber entscheiden, welche Arbeiten es reinschaffen. Sie entscheiden, und das in besorgniserregendem Ausmass, welche Paper in Form von mehr Zitierungen  für mehr Wirbel sorgt und damit den Hunger nach immer höherem „Impact factor“ nähren. Ich habe das einmal mit dem Businessplan der Haut Couture-Industrie verglichen, der auf die Verlockung der Exklusivität baut. Wir müssen die Kontrolle über akademische Entscheidungen wieder in die Hände von aktiven Wissenschaftlern geben, die sich mehr für fundamentale Entdeckungen interessieren als für Wirbel.

Könnte Ihre Ablehnung nicht die Karriere Ihrer PhD‘s und Postdocs kosten? 

Nein, ich werde, so wie ich es schon immer getan habe, meinen Studenten und Kollegen dabei unterstützen eine passende Stelle zu finden. Und ich werde weiterhin die Karriere meiner ehemaligen Mitarbeiter fördern, auch dann, wenn sie dem Druck in CNS-Journalen zu publizieren nachgeben.

Sie sind der Editor-in Chief des noch jungen Fachmagazins eLife. Was ist der Unterschied zu den etablierten Zeitschriften und was ist Ihre Vision?

Zuerst einmal wird eLife von den drei weltweit wichtigsten wissenschaftlichen Förderinstitutionen unterstützt: das Howard Hughes Medical Institute (HHMI), die Wellcome Trust und die Max-Planck-Gesellschaft. Sie haben das Ganze initiiert, denn sie sahen den verzerrenden Einfluss der Zeitschriften, die ihre Entscheidungen auf Marktwerten basierend fällen. Bei Forschern dieser Institutionen wurden wichtige Arbeiten zunehmenden hinausgezögert und sie mussten einen unverhältnismässig grossen Zusatzaufwand betreiben, wie beispielsweise endlose nachträgliche Experimente, um den undurchsichtigen Anforderungen eines CNS-Papers gerecht zu werden. eLife startete mit der Prämisse, dass alle Zeitschriften frei verfügbar sein sollten. In unserem Fall war es daher auch keine Frage, dass wir selbst die liberalsten Standards umsetzen würden. Unser Journal wurde mit der Verpflichtung gegründet, dass die Arbeiten anhand ihres wissenschaftlichen Wertes und nicht anhand potenzieller Zitierungen bewertet werden. Deshalb haben wir ein einzigartiges, offenes Bewertungsformat entwickelt, bei dem die Sachverständigen in mit dem Editor Rücksprache halten können und gemeinsam entscheiden, ob ein Paper gut genug für eine Veröffentlichung ist. Bei uns dauert es von der Einreichung des Papers bis zu seiner Annahme ungefähr 100 Tage, das ist deutlich kürzer als bei den sehr selektiven Zeitschriften. Und wir akzeptieren derzeit etwa 20 Prozent aller eingereichten Arbeiten. Mit eLife möchten wir insbesondere junge Wissenschaftler unterstützen, denn wir wissen, eine schnelle Publikation einer bedeutenden Arbeit ist das Wichtigste, gerade am Anfang der Karriere.

Zum Schluss, wie ist Randy Schekman privat?

Ich habe mich in all den Jahren immer wieder verändert. Als junger Mann war ich recht eigen, unsicher und nicht wirklich selbstreflektierend. Später fand ich es sehr befriedigend, anderen dabei zu helfen ihre Ziele zu erreichen und die wissenschaftliche und akademische Gemeinschaft zu unterstützen. Und jetzt habe ich meistens recht offene Ansichten und Gefühle und ich habe mit dem Alter eine grössere Sicherheit bekommen und kenne meine Grenzen. Ich liebe meine Familie, meine Freunde und mein Leben. Mein Lieblingsfilm ist „A wonderful life“ denn er spiegelt genau meine Ansichten zu Loyalität und Engagement für die Allgemeinheit wider. Ich selbst kann mir kein erfüllenderes Leben vorstellen, denn als Wissenschaftler die Geheimnisse der Natur zu ergründen.


Lebenslauf
Randy Schekman ist Professor für Zell- und Entwicklungsbiologie an der University of Berkeley, Kalifornien, und Forscher des Howard Hughes Medical Institute. Er studierte Molekulare Wissenschaften an der University of California, Los Angeles, und promovierte im Jahr 1975 an der Stanford University. Prof. Randy Schekman erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise, darunter der Albert Lasker Award und der Louisa Gross Horwitz-Preis. Im Jahr 2013 wurde er für seine Arbeit zur Aufklärung der Komponenten und Mechanismen der Sekretion mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet. Derzeit ist er Chefredakteur der Open Access Zeitschrift eLife.