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Terra incognita.

Exotischer geht es für den Ort einer Doktorarbeit kaum. Serej Ley hat vier Jahre in Papua-Neuguinea über Tuberkulose geforscht und dort Dinge erlebt, wie wir sie nur aus Büchern oder Filmen kennen. Die fremde Kultur war faszinierend, machte ihr das Leben aber nicht immer leicht. Zurzeit forscht die Biozentrum Alumna als Postdoktorandin an der Stellenbosch-Universität in Kapstadt.

Sie sind schon seit Jahren auf internationalem Parkett tätig. Welches war bislang Ihr aufregendstes Projekt?

Das war wohl mein PhD-Projekt in Papua-Neuguinea, nicht nur aus wissenschaftlicher, sondern auch aus kultureller Sicht. Das Land ist sehr exotisch und die kulturellen Unterschiede haben sich auch auf meine Arbeit vor Ort ausgewirkt. Es war sehr spannend und abwechslungsreich, aber auch immer sehr fordernd.

Worum ging es bei diesem Projekt?

Ich habe dort eine molekular-epidemiologische Studie durchgeführt, um herauszufinden, welche Tuberkulose-Bakterienstämme in Papua-Neuguinea kursieren und welche Antibiotika-Resistenzen sie tragen. Mein Projekt war eine Mischung aus Feld- und Laborarbeit. Dazu haben wir Proben von Patienten, die zu Tuberkulose-Routinekontrollen an die Spitäler kamen, untersucht. Wir sind aber auch in die Dörfer gegangen, um aktiv Tuberkulose-Patienten zu finden. Ich war damals am Papua-New Guinea Institute of Medical Research mit Sitz in Goroka stationiert und hatte vor Ort mein eigenes kleines Forschungsteam. Mein Doktorvater Prof. Hans-Peter Beck befand sich aber in der Schweiz, am Swiss TPH. Ich musste also sehr unabhängig arbeiten und alles selbst organisieren. 

Und wie lief das ab, wenn ihr in den Dörfern unterwegs wart? 

Wir haben zusammen mit einem Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden und dem jeweiligen Gemeindevertreter die Menschen in den Dörfern nach chronischen Hustenanfällen mit Auswurf, einem Anzeichen für Tuberkulose, befragt. Wenn ja, haben wir Sputum von den Betroffenen im Labor auf Tuberkulose untersucht und gegebenenfalls an das nächste Gesundheitszentrum überwiesen.

Papua-Neuguinea ist eine ganz andere Welt. Wie muss man sich das Leben dort vorstellen?

Mit dem Leben in der Schweiz ist es überhaupt nicht vergleichbar. Während der Feldarbeit haben wir bei den Einheimischen in den Dörfern gelebt. Sie bestehen aus einfachen Holzhäusern und Stroh-gedeckten Hütten. Es gibt keinen Strom und kein fliessendes Wasser. Die Menschen kochen am Feuer, waschen sich im Fluss und haben Plumpsklos. Sie arbeiten den ganzen Tag in ihren Gärten und können sich so selbst versorgen. Die Gesundheitszentren sind mit einem Stromgenerator ausgestattet, liegen aber oftmals mehr als einen Tagesmarsch entfernt. Der Weg führt teilweise über in-existente Strassen und durch Flüsse. Für manche Dorfbewohner ist es sehr schwierig in die Zentren zu kommen, erst recht, wenn sie krank sind.

Wie wurden Sie als Fremde von den Dorfbewohnern empfangen?

Als Gast ist man in der Obhut der Dorfgemeinschaft. Wir wurden bekocht und die Leute nahmen sehr viel Rücksicht. So bekommt man oft den einzigen Stuhl oder das beste Bett angeboten. Aber Papua-Neuguinea ist ein Land der Kontraste. Einerseits sind die Menschen unglaublich freundlich und faszinierend, aber sie haben immer noch grausame Traditionen und Rituale. Zum Beispiel der alte Glauben an Hexerei, dafür werden sogar Menschen gefoltert und getötet. Diese Kontraste sind psychisch sehr anstrengend.

Wurden Sie mit dem Aberglauben auf irgendeine Art mal konfrontiert? 

Ja. Wir haben für unsere Studie auch Blutproben gesammelt. Eines Tages sind wir ins Dorf gekommen und die Bewohner haben sich vor uns versteckt. Es hat sich dann herausgestellt, dass sie Angst hatten, dass wir ihnen das Böse injizieren. Solche kulturellen Unterschiede können einem die Arbeit erschweren. 

Gab es ein Ereignis, welches besonders tiefe Spuren bei Ihnen hinterlassen hat?

Trotz all der Herzlichkeit ist Papua-Neuguinea teilweise ein sehr unsicheres Land. Als ich dort war, ist etwas sehr Trauriges passiert. Es fällt mir immer noch schwer, darüber zu reden. Damals ist ein ganzes Forschungsteam aus dem Institut einfach verschwunden. Darunter waren Freunde und Arbeitskollegen. Man weiss bis heute nicht, was geschehen ist. Aber man geht davon aus, dass sie entführt und ermordet wurden. Das ist immer noch sehr hart. 

Das sind schockierende Erlebnisse. Was ging in Ihnen vor und wie verdaut man so etwas?

Ich wurde damals von ganz konträren Emotionen überwältigt. Man will weg, aber man will auf keinen Fall die Freunde verlassen. Man will helfen, aber fühlt sich hilflos. Traurigkeit und Wut und dann prasseln die Medienberichte über das Ereignis auf einen ein. Es ist ein unheimliches emotionales Auf und Ab. Ich hatte Panik um die eigenen Liebsten, und fühlte mich schlecht, dass ich zuerst an mich und mein nächstes Umfeld dachte. Andererseits hat dieses Ereignis alle viel enger zusammengeschweisst. Und trotz diesem negativen Erlebnis, habe ich in der Zeit auch viel Schönes erleben dürfen.

Zurück zu Ihrem Projekt. Ist Laborarbeit gleich Laborarbeit, egal wo man letztlich forscht?

Nein, auch da gibt es extreme Unterschiede. Papua-Neuguinea ist logistisch äusserst schwierig. Erst einmal ist es sehr schwer die Kühlkette über die weiten Distanzen aufrechtzuerhalten. Für Enzyme ist es aber entscheidend, dass sie durchgängig gekühlt sind. Die Lieferung von Primern oder anderem Labormaterial dauert bis zu sechs Monate. Man überlegt sich also zehnmal, was und welche Mengen man bestellt. Ich habe gelernt, extrem vorauszuplanen. Ich glaube, was alle unterschreiben würden, die mal in Papua-Neuguinea gearbeitet haben, ist, dass man gleichzeitig Forscher, Logistik-Manager, Reise- und Finanzbearbeiter und Psychologe sein muss. 

Wie kam es eigentlich zu diesem Einsatz? Ihren Master haben Sie ja am Biozentrum gemacht.

Ich war damals im Labor von Prof. Urs Meyer in der Pharmakologie. Ich hatte das Glück am Biozentrum mit Micro-Arrays zu arbeiten und am Swiss TPH hatten sie gerade jemanden gesucht, der damit Erfahrung hatte. Und so habe ich dort als Research Assistant angefangen und auf dem Gebiet der Medikamenten-Resistenz bei Malaria-Erregern gearbeitet. Als meinem Partner dann ein Postdoc in Papua-Neuguinea angeboten wurde, beschlossen wir, gemeinsam dorthin zu gehen. Dort entwickelte ich dann mein Tuberkulose-Projekt. Das Grundthema der Arbeit am Biozentrum - genetische Variationen und der Einfluss auf die Wirkung von Medikamenten - haben mich überall die Jahre begleitet, nur der Betrachtungswinkel und die Organismen haben sich verändert.

Sie haben mit verschiedenen Erreger und in sehr unterschiedlichen Ländern gearbeitet. Reizt Sie das Neue? 

Ich persönlich finde die Abwechslung extrem reizvoll. Ich lese mich gerne intensiv in ein neues Thema ein. Aber die Erfahrung, die man mit einem Erreger gesammelt hat, kann man meist auch bei anderen Erregern anwenden. Es gibt immer einige Parallelen und die Konzepte bleiben oftmals gleich. Bei meinem jetzigen Postdoc an der Stellenbosch-Universität in Kapstadt forsche ich weiterhin an Tuberkulose-Erregern, allerdings mit dem Fokus Bioinformatik. Das ist ganz neu für mich. Als Nicht-Computerwissenschaftlerin ist es eine echte Herausforderung, aber ich liebe Herausforderungen. 

Haben Sie die Erfahrungen im Ausland auch persönlich verändert?

Ich habe viel über mich gelernt, zum Beispiel nicht alles was man hat, als Selbstverständlich zu betrachten. Und es hat mich auch sehr geprägt, in der Situation des Aussenseiters zu sein. Ich bin froh, dass ich diese Erfahrung gemacht habe, weil ich gelernt habe, anders auf Menschen zuzugehen, zuzuhören, und wenn man eine Reaktion eines anderen Menschen nicht versteht, dann nicht gleich zu urteilen, sondern zu überlegen, wieso die Person so reagiert. Ich kann nun auch gut nachvollziehen, wie es für andere Menschen ist, wenn sie als Fremde zum Beispiel in die Schweiz kommen.

Curriculum

Serej Ley studierte am Biozentrum und absolvierte im Jahr 2004 ihren Master in der Forschungsgruppe von Prof. em. Urs A. Meyer. Nach ihrer zweijährigen Tätigkeit als Leiterin der Microarray Facility am Swiss Tropical and Public Health Institute, wechselte sie an das «Papua New Guinea Institute of Medical Research» in Goroka und führte dort die Feld- und Laborarbeiten ihres PhD-Projektes durch. Im Jahr 2014 wurde sie damit am Swiss TPH promoviert. Nach Positionen am Bundesamt für Gesundheit in Bern sowie am Swiss TPH forscht sie nun als Postdoktorandin an der Stellenbosch-Universität in Kapstadt, Südafrika.