Interview mit Đorđe Relić
Er war mutig. Vielleicht etwas zu mutig, als er sich gleich zu Beginn seines PhDs bereit erklärte einen Vortrag zu halten. Aber Đorđe Relić aus Serbien macht keine halben Sachen. Deshalb war für den Mathe- und Informatiker der Wechsel in die Biologie eine willkommene Herausforderung. Zudem nutzte er das Angebot in verschiedene Forschungsgruppen reinzuschnuppern voll aus und wurde schon bald zum PhD Studenten Vertreter.

Woher kommst du und wo hast du deinen Master gemacht?
Ich bin in der Stadt Sombor im Norden Serbiens aufgewachsen und habe in Belgrad Mathematik studiert. Für meinen Master wollte ich dann in die Schweiz gehen und habe mir verschiedene Universitäten angeschaut. Basel hatte aus meiner Sicht das beste Angebot und so habe ich hier meinen Master in Computer Science, also Informatik gemacht.
Warum hast du dich entschieden am Biozentrum zu doktorieren?
Bis zu meinem Master habe ich mich in rein theoretischen Sphären und der Computerwissenschaft bewegt. Als ich mich dann auf die Suche nach einer Doktorandenstelle machte, stiess ich auf das Biozentrum PhD Fellowship Programm. Es hat mein früheres Interesse an der Biologie wieder geweckt. Schliesslich wurde ich zur Fellowship Interview-Woche eingeladen, das war eine absolut inspirierende und bereichernde Erfahrung. An drei Tagen konnte ich mich für jeweils eine halbe Stunde persönlich mit zehn Gruppenleitern austauschen. Das war echt intensiv, aber super, und ich wusste sofort, dass ich hier meine Doktorarbeit machen will.
Was sind die Vorteile des Fellowships Programms?
Für mich war es einerseits eben diese Möglichkeit mit so vielen Gruppenleitern sprechen zu können, andererseits natürlich das Rotationssystem. Dieses bietet dir zu Beginn des PhD die Möglichkeit, in verschiedenen Forschungsgruppen reinzuschnuppern, bevor du dich dann entscheidest, in welcher du promovieren möchtest. Ich habe dieses Angebot wirklich ausgeschöpft und drei Mal jeweils zwei Monate lang in einer anderen Gruppe gearbeitet. Das war echt spannend, nicht nur im Hinblick auf das Themenspektrum, sondern auch auf die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Gruppen. Für mich war es natürlich auch eine ziemliche Herausforderung, da ich in Biologie keine Erfahrung hatte. Aber ich habe viel gelernt und viele Leute kennengelernt.
Das gab dir also auch die Möglichkeit, gleich am Anfang viele Kontakte zu knüpfen?
Sicher, aber ob du ein Netzwerk aufbaust oder nicht, hängt ganz allein von dir ab. Am Biozentrum gibt es viele Möglichkeiten auf andere zu treffen. Die muss man nutzen. Ich habe mich ziemlich schnell bei der PhD Studenten Vereinigung engagiert und bin jetzt dort Vizepräsident. Wir organisieren Vorträge, die dir bei der Karriereplanung helfen, oder Kurse zu «Soft Skills». Zudem treffen wir uns jeden Monat zum «PhD-Lunch-Talk», wo jeweils ein Doktorand sein Projekt vorstellt und wir im Anschluss zusammen Pizza und Pommes essen. Wir organisieren auch Anlässe wie Barbecues oder Partys, manchmal zusammen mit Doktoranden von Novartis, Roche, dem DBM, dem D-BSSE und anderen Life-Science-Instituten in Basel.
Du machst deinen PhD jetzt in der Gruppe von Erik van Nimwegen. Woran arbeitest du?
Grundsätzlich dreht sich bei uns alles um genregulatorische Netzwerke, also um eine sehr breitgefächerte Fragestellung. Ich versuche herauszufinden, auf welchen unterschiedlichen Wegen die Transkription, also das Ablesen der Gene, reguliert wird und wie wir die Transkription genomweit modellieren können. Wir möchten verstehen, wie die verschiedenen Zelltypen entstehen.Ich arbeite gleichzeitig an zwei Projekten: Beim ersten möchten wir den "regulatorischen Code" der DNA entschlüsseln. Das andere Projekt ist auf einer höheren Ebene angesiedelt. Hier untersuche ich, wie verschiedene Transkriptionsfaktoren andere Gene regulieren und wie wir die Entwicklung eines Organismus modellieren können. Genau genommen handelt es sich um zwei Fragestellungen mit unterschiedlicher Herangehensweise. Beide fordern mich echt.
Wie ist die Zusammenarbeit innerhalb eurer Gruppe?
Wir arbeiten alle an unterschiedlichen Projekten, aber wir unterstützen uns, wo immer wir können. Die Diskussionen an unseren wöchentlichen Gruppensitzungen, wo wir jeweils unsere Projekte vorstellen, sind meist sehr konstruktiv. Und dann bespreche ich natürlich auch regelmässig meine Ideen mit Erik und mit Alex Schier, der mein zweites Projekt mitbetreut. Das ist alles sehr dynamisch.
In der Forschung feiert man ja nicht nur Erfolge, es gibt auch Misserfolge. Wie motivierst du dich selbst?
Schwierig wird es für mich, wenn ich den Wald vor lauter Bäume nicht mehr sehe. Dann muss ich einen Schritt zurück machen, um wieder den Blick fürs Ganze zu gewinnen. Grundsätzlich denke ich aber, dass man einen PhD ja für sich selbst macht. Das sollte Motivation genug sein. Man darf einfach nicht das Ziel aus den Augen verlieren. Im grössten Dilemma steckte ich ganz am Anfang. Von der Mathematik her war ich an Genauigkeit und Reproduzierbarkeit gewohnt. In der Biologie stiess ich auf das Unberechenbare.
Arbeitest du auch mit anderen Forschungsgruppen zusammen?
Weniger, wir beschäftigen uns mit zu unterschiedlichen Fragestellungen. Aber wir pflegen sehr fachspezifisch Kooperationen und Kontakte mit anderen Instituten auf der ganzen Welt. Was mir super gefällt, ist der zweieinhalbtägige PhD-Retreat, den wir jedes Jahr organisieren. Dort erfährst du, woran die anderen arbeiten und dies in total lockerer Atomsphäre, denn wir PhDler sind dort ganz unter uns. Ich finde es immer spannend mit Leuten aus der Infektionsbiologie zu sprechen, da wir mit den gleichen Organismen, mit Bakterien, arbeiten.
Hast du dort auch schon mal einen Vortrag gehalten?
Oh ja, im ersten Jahr. Ich war ziemlich mutig, vielleicht etwas zu mutig (lacht). Ich war voller Elan und überzeugt, dass ich in diesen sechs Monaten meine gesteckten Ziele erreichen würde, also habe ich mich für einen Vortrag gemeldet. Leider hatte ich dann nicht geschafft, was ich wollte. Das war wirklich frustrierend, aber den Vortrag musste ich ja trotzdem halten. Am Ende war es ganz o.k..
Wie ist die Arbeitsbelastung? Hast du noch Zeit für Hobbys?
Ein gutes Zeitmanagement ist für mich das A und O. Meine Doktorarbeit ist schon sehr intensiv. Als Ausgleich treibe ich deshalb Sport. Früher habe ich Basketball gespielt, dann Fussball und jetzt ist von Squash bis Joggen alles drin. Ich spiele auch in einer Band. Ich habe viele Interessen und bin gerne auf Achse.
Du bist von Belgrad nach Basel gezogen. Wie gefällt es dir hier?
Mir gefällt Basel sehr gut, das kulturelle Angebot ist riesig und die Stimmung richtig gut. Ich komme ursprünglich aus einer kleinen Stadt und bin dann in eine Grossstadt mit 2 Millionen Einwohnern gezogen. Basel liegt dazwischen. Ich habe einmal gelesen, dass zwischen der Grösse einer Stadt und wie schnell die Menschen gehen ein Zusammenhang besteht. Für mich ist das Tempo hier perfekt. Und in Bezug auf die Life Sciences ist Basel definitiv einer der besten Orte der Welt.
Wie sieht es nach dem PhD aus. Hast du schon Pläne?
Nein, es ist noch alles offen. Früher dachte ich, ich sei jemand mit klaren Zielen, aber die Dinge haben sich verändert. Mir ist gewusst geworden, dass mich ganz konkrete Projekte motivieren. Und für mich braucht es, um erfolgreich zu sein, eben diese Motivation und natürlich ein grosses Engagement. Im Hinblick auf meine Zukunft denke ich also nicht darüber nach, in welcher Stadt ich leben oder wie viel Geld ich verdienen möchte. Ich lasse mich viel mehr von meinen Interessen leiten.