Navigation mit Access Keys

02. März 2022

Im Visier: Schwachstelle vom Erreger der Lungenentzündung

Babys und Kleinkinder sind besonders gefährdet an einer schweren Lungen- oder Hirnhautentzündung zu erkranken, die durch Pneumokokken verursacht werden. Das Team von Prof. Camilo Perez am Biozentrum, Universität Basel, hat eine Schwachstelle der Bakterien, ein lebenswichtiges Transportprotein, genauer untersucht und wichtige neue Details ans Licht gebracht. Dieses Protein kommt auch als Angriffsstelle für Antibiotika gegen Pneumokokken in Frage, wie die Autoren in ihrer kürzlich in «Science Advances» erschienen Studie berichten.

Der Krankheitserreger Streptococcus pneumoniae, besser bekannt als Pneumokokken, ist weltweit die häufigste Ursache für Lungen- und Hirnhautentzündungen.

Jedes Jahr sterben laut WHO weltweit über eine Million Menschen an einer Infektion mit Pneumokokken. Betroffen sind vor allem Kleinkinder, Ältere und immungeschwächte Personen. Seit der Einführung von Impfungen gegen Pneumokokken (lat. Streptococcus pneumoniae) ist die Zahl der schweren Erkrankungen rückläufig. Die Impfungen richten sich jedoch nur gegen einen kleinen Teil der mehr als 90 verschiedenen Unterarten von Pneumokokken. Die Entwicklung von Impfstoffen mit einer breiteren Abdeckung sowie von spezifischen Antibiotika ist notwendig, um schwere Verläufe von Lungen- und Hirnhautentzündungen zu verhindern.

«Achillessehne» der Erreger

Eine Schwachstelle der Pneumokokken ist das Transportprotein LicB. Es sitzt in der Bakterienmembran und nimmt lebenswichtige Cholin-Moleküle aus der Umgebung auf. Dass Bakterien ohne LicB nicht überleben können, war bekannt, aber niemand wusste etwas über seine Architektur oder wie es funktioniert. «Mithilfe von Nanobodies, das sind kleine Fragmente von Antikörpern, ist es uns erstmals gelungen die molekulare Struktur und das Wirkprinzip von LicB aufzuklären, es zu hemmen und damit die Aufnahme von Cholin zu stoppen», sagt Studienleiter Prof. Camilo Perez vom Biozentrum der Universität Basel. «Möglicherweise liessen sich diese Nanobodies umfunktionieren und zur Behandlung von Pneumokokken-Infektionen einsetzen. Auch die Entwicklung spezifischer Hemmstoffe ist ein vielversprechender Ansatz.» 

LicB-Protein transportiert lebenswichtige Cholin-Moleküle

Cholin-Moleküle spielen für die Infektiosität von Pneumokokken eine wichtige Rolle. Sie sind notwendig, damit sich die Erreger zum Beispiel beim Befall der Lunge oder im Gehirn an die Zellen anheften können. Darüber hinaus erschweren sie die Erkennung und Eliminierung durch das Immunsystem. Die äussere Hülle, die Zellwand, von Pneumokokken ist mit unzähligen Cholin-Molekülen bestückt. Da die Bakterien Cholin jedoch nicht selbst herstellen können, müssen sie das Molekül aktiv aus ihrer Umgebung aufnehmen. 

Dies ist Aufgabe des Transportprotein LicB. Es bindet und verfrachtet Cholin ins Zellinnere. Je mehr Cholin in der Umgebung vorhanden ist, desto schneller wird es aufgenommen und an der Zellwand befestigt. «Mit der Kryo-Elektronenmikroskopie haben wir herausgefunden, wie LicB in der Membran verankert ist und wie sich seine Anordnung während des Cholin-Transports ändert», so Perez. Mit einer zweiten Methode, der Röntgenkristallographie, konnten die Forschenden zudem aufklären, an welcher Stelle genau Cholin an das LicB-Protein andockt. Nur auf dieser Grundlage lassen sich wirksame Hemmstoffe designen.

Aufnahme von Neurotransmitter Acetylcholin

In ihrer Studie konnten die Foschenden ebenfalls zeigen, dass die Pneumokokken nicht nur Cholin, sondern auch Acetylcholin verwerten können.  Der Neurotransmitter Acetlycholin ist einer der wichtigsten Botenstoffe im Gehirn. «Wenn die Pneumokokken das Gehirn befallen, könnten sie auf Acetylcholin als Cholin-Quelle zurückgreifen», erklärt Perez. «Wir haben herausgefunden, dass sie den Neurotransmitter mithilfe von LicB aufnehmen, das Cholin anschliessend abspalten und für ihre Zellwand verwenden.» 

Mit Nanobodies gegen Pneumokokken 

Die Nanobodies, die Perez’ Team für die Aufklärung der LicB-Struktur verwendet hat, bleiben von Interesse. Möglicherweise könnten einige davon als Hemmstoffe weiterentwickelt werden oder dazu dienen, Stellen im LicB-Transporter zu identifizieren, die sich als Angriffspunkte für Antibiotika zur Behandlung von Pneumokokken-Infektionen eignen würden.

Originalpublikation:
Natalie Bärland, Anne-Stéphanie Rueff, Gonzalo Cebrero, Cedric A.J. Hutter, Markus A. Seeger, Jan-Willem Veening, Camilo Perez. Mechanistic basis of choline import involved in teichoic acids and lipopolysaccharide modification. Science Advances, published online 2 March 2022

Kontakt: Kommunikation, Katrin Bühler