Navigation mit Access Keys

News-Archiv Prof. Dr. Markus Affolter

14. September 2022

Künstliche Enzyme: Strippenzieher in Zellkommunikation

Kommunikation ist alles. Das gilt für uns Menschen genauso wie für jede einzelne unserer Zellen. Prof. Markus Affolters Team am Biozentrum der Universität Basel hat ein neues Tool entwickelt, mit dem sich die Kommunikation in der Zelle steuern lässt. Der Ansatz beruht auf synthetischen Enzymen. Mit ihrer Hilfe können Forschende besser verstehen, welche Signalwege bei der Entwicklung von Lebewesen oder der Entstehung von Krankheiten eingeschlagen werden.

Fliegenembryos von oben: Kontrollembryo (oben) und Embryo, der eine synthetische Kinase produziert (unten). Bilder sind gespiegelt.

Zellen sind die Grundbausteine aller Lebewesen. Um einen komplexen Organismus zu bilden und gesund zu bleiben, müssen die Zellen sowohl miteinander als auch mit sich selbst kommunizieren. Bei der internen Kommunikation spielt eine Gruppe von Enzymen, sogenannte Proteinkinasen, eine wichtige Rolle. Als Mitglieder komplexer Signalnetzwerke regeln sie lebenswichtige Zellfunktionen. Defekte Kinase-Netzwerke können daher ernste Folgen haben, etwa Entwicklungsstörungen, Krebs oder Immunschwäche. 

Derzeit sind über 500 verschiedene Kinasen bekannt. Herauszukristallisieren, bei welchen zellulären Vorgängen sie eine Rolle spielen, stellt die Forschung vor grosse Herausforderungen. Denn eine einzelne Kinase steuert nicht nur ein einziges, sondern Dutzende von Signalwegen. Licht in den Netzwerk-Dschungel bringt der neue Ansatz des Teams um Prof. Markus Affolter vom Biozentrum der Universität Basel. Die Arbeit erschien kürzlich im «Journal of Cell Biology».

Zielgerichtete synthetische Kinasen

Kinasen sind als Kuriere in der Zelle tätig, die Botschaften überbringen. Indem sie ihre Empfänger-Proteine mit einer Phosphatgruppe behängen, leiten sie Nachrichten mit Anweisungen, was die Zelle tun soll, intern weiter. «Die meisten Kinasen haben indes mehr als nur einen Empfänger» sagt Erstautorin Dr. Katarzyna Łepeta. Dies ist problematisch, denn wegen überlappender Effekte sind die Resultate nur bedingt aussagekräftig. 

«Unsere synthetischen Kinasen sind so konzipiert, dass sie nur auf ein einziges ausgewähltes Empfänger-Protein abzielen», so Łepeta. «Wir bestimmen mit welchem Protein eine Kinase interagiert – aus einem Gruppenchat wird quasi ein Einzelchat.» Mit ihrem neuen Tool können sich die Forschenden gezielt einen Signalweg herauspicken und schauen, in welche Bahnen er Zellen, Organe oder ganze Organismen lenkt. Dass ihr Ansatz funktioniert und praktikabel ist, haben die Forschenden mit hochauflösender Mikroskopie im Fliegenembryo getestet. 

Kommunikationswege in der Zelle besser verstehen

«Das Prinzip ist einfach. Wir koppeln die Kinase an ein Antikörperfragment, auch Nanobody genannt, der das markierte Empfänger-Protein erkennt und ausschliesslich mit diesem interagiert», erklärt Łepeta. «Daher wird nur ein einziger Signalweg des sonst so verschlungenen Kinase-Netzwerks angeschaltet.» Diese künstlich geschaffene Substrat-Spezifität erlaubt es den Forschenden einzelne Kommunikationswege und ihre Rolle bei der Entwicklung von Lebewesen und der Entstehung komplexer Erkrankungen wie Krebs besser zu verstehen. 

Ein zukünftiges Ziel der Forschenden ist es, die synthetischen Kinasen so auszustatten, dass sie chemisch oder mit Licht an- bzw. ausgeschaltet werden können. Damit wird das Tool noch leistungsfähiger und einfacher anzuwenden. Und schliesslich könnten sich mit synthetischen Enzymen ganz neue Kommunikationswege in der Zelle erschliessen lassen.

Originalpublikation:
Katarzyna Łepeta, Chantal Roubinet, Milena Bauer, M. Alessandra Vigano, Gustavo Aguilar, Oguz Kanca, Amanda Ochoa-Espinosa, Dimitri Bieli, Clemens Cabernard, Emmanuel Caussinus, Markus Affolter. Engineered kinases as a tool for phosphorylation of selected targets in vivo. Journal of Cell Biology; published online 14 September 2022

Kontakt: Kommunikation, Katrin Bühler