Bei der letztjährigen Ausschreibung der «SNSF Advanced Grants» haben 232 Forschende ihre Gesuche eingereicht, davon qualifizierten sich 24 Projekte für eine Förderung durch den Schweizerischen Nationalfond. Insgesamt wurden Fördermittel in Höhe von 50 Millionen Schweizer Franken gesprochen. Bei diesem Förderinstrument handelt es sich um eine Übergangsmassnahme des Bundes aufgrund des Ausschlusses der Schweiz aus dem EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe».
An der Universität Basel erhalten drei Forschende einen «SNSF Advanced Grant», darunter der Neurobiologe Prof. Peter Scheiffele vom Biozentrum. In seinem Forschungsprojekt geht er der Frage nach, wie sich Nervenzellen in der Grosshirnrinde zu ausgedehnten Netzwerken zusammenschliessen und welche Rolle die spontane Aktivität von Neuronen sowie ihre molekulare Spezifizierung dabei spielt.
Hochkomplexes Nervengeflecht
Das Gehirn ist das komplexeste und immer noch am wenigsten verstandene Organ. Es besteht aus einem Geflecht tausender unterschiedlicher Nervenzelltypen, die bestimmte Sinneseindrücke wahrnehmen und weiterleiten. Das Team von Prof. Peter Scheiffele erforscht seit langem, wie die molekulare Vielfalt an Nervenzellen entsteht, wie Nervenzellen die richtigen Partner finden, sich mit ihnen verknüpfen und auf diese Weise funktionelle Nervenschaltkreise bilden. Neurologische Entwicklungsstörungen wie Autismus-Spektrum-Störungen oder Schizophrenie lassen sich auf fehlerhafte Verschaltungen zurückführen.
Entwicklung von neuronalen Netzwerken
Kurz nach der Geburt sind die Nervennetzwerke in der Hirnrinde, insbesondere der Sehrinde, auch ohne äussere Reize spontan aktiv. Diese spontanen Aktivitätsmuster sind für die richtige Verknüpfung der Nervenzellen durch die neuronalen Kontaktstellen (Synapsen) während der Gehirnentwicklung entscheidend. Die Spezifität der Synapsen entsteht durch einen molekularen Prozess, der als alternatives Spleissen bezeichnet wird. Mit hochmodernen Bildgebungsverfahren und genetischen Methoden möchte Scheiffele nun aufklären, wie spontane Aktivität und Spleiss-Vorgänge zusammenwirken und die Ausbildung spezifischer neuronaler Netzwerke steuern. Die Zusammenhänge erlauben tiefgreifende Einblicke in die gesunde Entwicklung des Gehirns und welche Netzwerk-Defekte neurologischen Erkrankungen zugrunde liegen.
Peter Scheiffele ist seit 2008 als Professor für Zell- und Entwicklungsbiologie am Biozentrum der Universität Basel tätig. Nach seinem Biochemie-Studium an der Freien Universität Berlin promovierte er 1998 am EMBL in Heidelberg. Anschliessend forschte er als Postdoktorand an der University of California, Berkeley, und der University of California, San Francisco. Im Jahr 2001 wurde er als Assistenzprofessor an die Columbia University, New York, und 2008 ans Biozentrum der Universität Basel berufen. Für seine Arbeiten erhielt Scheiffele diverse Auszeichnungen, zuletzt den Robert-Bing-Preis der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW.
Ersatzmassnahmen für EU-Forschungsprogramme
Beim EU-Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon Europe ist die Schweiz zurzeit nicht-assoziierter Drittstaat. Schweizer Forschende sind daher für alle EU-Förderinstrumente nicht mehr antragsberechtigt. Herausragende und etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die innovative, risikoreiche Forschung betreiben möchten, können sich seit Ende letzten Jahres um einen «SNSF Advanced Grant» bewerben, eine Übergangslösung des Schweizerischen Nationalfonds für die «ERC Advanced Grants».
Kontakt: Kommunikation, Katrin Bühler