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22. März 2022

Forschung mit Gentechnik: Augen auf bei der Wahl der Methode!

Um das Recycling von Rezeptoren in der Zelle besser zu verstehen, hat Prof. Martin Spiess’ Team vom Biozentrum der Universität Basel einzelne Proteine der Recyclingmaschinerie mit drei verschiedenen Methoden ausgeschaltet. Obwohl diese Methoden theoretisch das Gleiche bewirken, kamen die Forschenden jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen. In ihrer Arbeit zeigen sie auf, warum das so ist, warum CRISPR/Cas9 nicht immer die erste Wahl ist und welche Alternative sich am besten für Funktionsstudien an Zellen eignet.

Säugetierzelle mit Mannose-6-Phosphate Rezeptor (MPR) (grün) und Komponenten des Knocksideways-Systems (rot und magenta).

Die Oberfläche unserer Zellen ist übersät mit unterschiedlichsten Rezeptoren. Sie sind die Fühler zur Aussenwelt, nehmen Signale wahr wie das Vorkommen von Nährstoffen und leiten diese Informationen ins Zellinnere weiter. So können die Zellen auf ihre Umwelt reagieren und sich anpassen. Über eine Art Sortier- und Recyclingsystem stellt die Zelle eine schnelle und kontinuierliche Versorgung mit Rezeptoren sicher. Während funktionstüchtige Rezeptoren recycelt und wieder zurück an die Zelloberfläche gebracht werden, landen das Transportgut sowie ausrangierte Rezeptoren im zellulären Mülleimer. 

Route von Rezeptoren in der Zelle verfolgt 

Das Team um Prof. em. Martin Spiess vom Biozentrum der Universität Basel hat sich für den Mannose-6-Phosphat-Rezeptor (MPR) die Transportwege in der Zelle genau angeschaut. Um besser zu verstehen, was mit dem Rezeptor in der Zelle passiert, welche Routen er nimmt, haben sie einzelne Proteine der zellulären Sortiermaschine mit drei verschiedenen Methoden ausgeschaltet. «In der Theorie sollten diese drei Methoden eigentlich mehr oder weniger das Gleiche bewirken», sagt Dr. Dominik Buser, Erstautor der Studie. «Umso überraschender war, dass wir zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen.» Je nach Art der Protein-Inaktivierung variieren die Transportwege oder Umsatz des MPR-Rezeptors in der Zelle.

Indem Forschende einzelne Proteine ausschalten, können sie auf ihre Funktion in der Zelle schliessen. Zu den bekanntesten und effektivsten Methoden zählt CRISPR/Cas9. Mit dieser nobelpreisgekürten Technik lassen sich ganze Gene aus dem Erbgut herausschneiden. Die RNA-Interferenz-Methode dagegen zerstört mRNAs und verhindert, dass die Zellen daraus Proteine herstellen. «Diese beiden im Labor etablierten Methoden wirken indirekt, deshalb nimmt die Proteinmenge nur langsam ab», so Buser. «Die Zellen haben also genügend Zeit sich anzupassen und finden Mittel und Wege, die Folgen des künstlichen Eingriffs auszugleichen.» 

Methode der Wahl gibt Aufschluss über Rezeptor-Funktion 

Die Resultate mit CRISPR/Cas9 oder RNA-Interferenz sind daher im Allgemeinen mit Vorsicht zu geniessen, so das Fazit der Studie. Sie spiegeln wahrscheinlich eher die Anpassungsstrategien der Zelle wider und nicht die Effekte, die ein zuvor ausgeschaltetes Protein wirklich nach sich zieht. «Mit der von uns verwendeten «knocksideways» Methode können wir wie mit einem Magneten die gewünschten Proteine komplett und rasch aus dem System herausziehen. Sie wirkt direkt und greift am geringsten in die Zellphysiologie ein.» Diese Technik zeichnet daher ein realistischeres Bild über die natürliche Funktion von Proteinen in der Zelle als die beiden anderen Methoden.

MPR-Rezeptor hat klinische Relevanz

Welche Wege der MPR-Rezeptor innerhalb der Zelle nimmt und wie er recycelt wird, liefert grundlegende Einblicke in die zellulären Transportmechanismen. Das Verständnis darüber ist insofern wichtig, als der MPR-Rezeptor auch hinsichtlich klinischer Anwendungen von Interesse sein könnte. «So kann man diesen Rezeptor zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel Schuppenflechte oder Rheuma einsetzen und mit seiner Hilfe die zerstörerischen Auto-Antikörper, die den eigenen Körper angreifen, herausfischen», erklärt Buser. Der MPR-Rezeptor kommt auf jeder unserer Zellen vor und ist daher gut geeignet, um Antikörper oder auch Entzündungsfaktoren aus dem Körper zu entfernen.

Originalartikel:
Dominik P. Buser, Gaétan Bader, and Martin Spiess. Retrograde transport of CDMPR depends on several machineries as analyzed by sulfatable nanobodies, Life Science Alliance, published online 22 March 2022

Kontakt: Kommunikation; Katrin Bühler