Futterknappheit, Giftstoffe oder Krankheitserreger, um zu überleben, müssen Lebewesen auf die vielfältigen Einflüsse aus der Umwelt reagieren und ihr Verhalten anpassen können. Die Informationen über die vorherrschenden Lebensbedingungen, geben Eltern bereits schon vor der Geburt an ihre Nachkommen weiter. Damit bereiten sie den Nachwuchs auf widrige oder auch günstige Verhältnisse vor. Wie die Umweltbedingungen die nächste Generation prägen, ist jedoch noch weitgehend ein Rätsel.
Bessere Überlebenschancen für den Nachwuchs
Bei einer Vielzahl von Tieren stattet die Mutter die Embryonen mit eigenen Molekülen und Zellbestandteilen aus. Das Team von Prof. Susan Mango vom Biozentrum, Universität Basel, hat die mütterliche Ausstattung an einem kleinen, im Boden lebenden Wurm genauer untersucht und herausgefunden, dass die weitergegebenen Stoffe je nach Lebensbedingungen variieren. Diese Variabilität kann dem Nachwuchs dabei helfen, die Herausforderungen nach der Geburt zu meistern.
Besondere Art von Fürsorge
Wie viele andere Tierarten haben auch Fadenwürmer eine eigene biochemische «Sprache». Mithilfe von Pheromone kommunizieren sie, wie viele Artgenossen vorkommen und können daraus auf die aktuellen Lebensbedingungen schliessen. Bestimmte Pheromone sind ein Zeichen dafür, dass noch andere Würmer in der Nähe sind und somit günstige Verhältnisse herrschen. Spezifische Nervenzellen in den Muttertieren erkennen diese Pheromone und passen die Versorgung des Nachwuchses entsprechend an.
Die «positiven» Pheromone bewirken, dass die Neuronen einen Botenstoffherstellen und im Körper ausschütten. Dieses sogenannte Neuropeptid FLP-21 setzt eine Signalkette in Gang, die dazu führt, dass die Nachkommen grosszügig mit Molekülen zum Bau von Proteinfabriken versorgt werden. Dies wirkt auf die Stressresistenz des Nachwuchses aus: Das Hochfahren der Proteinproduktion macht die Jungen stressanfälliger. In guten Zeiten kein Problem.
Für schlechte Zeiten vorsorgen
Und in schlechten Zeiten? Bei ungünstigen Bedingungen halten sich weniger Würmer in der Nähe auf, daher mangelt es an «positiven» Pheromonen. Die Wurm-Mütter beginnen ihre Nachkommen darauf vorzubereiten, indem sie die Lieferung von Molekülen für die Proteinherstellung herunterfahren. «Der energie-intensive Produktionsprozess wird dadurch in den Embryonen auf das Notwendigste beschränkt», sagt Erstautorin Jadiel Wasson. «Gleichzeitig werden die Jungen deutlich stressresistenter», so Susan Mango.
Auf diese Weise ist der Nachwuchs gut für die schlechten Zeiten gewappnet. Mango und ihren Mitarbeitenden ist es mit dieser Arbeit erstmals gelungen, zu zeigen, wie Tiere ihre Umwelt wahrnehmen und diese Information nutzen, um die Biologie der nachfolgenden Generation zu beeinflussen. Je besser die Jungen auf die Zukunft vorbereitet sind, desto höher sind ihre Überlebenschancen.
Originalpublikation:
Jadiel A. Wasson, Gareth Harris, Sabine Keppler-Ross, Trisha J. Brock, Abdul R. Dar, Rebecca A. Butcher, Sylvia E.J. Fischer, Konstantinos Kagias, Jon Clardy, Yun Zhang, and Susan E. Mango. Neuronal control of maternal provision in response to social cues. Science Advances, published online August 20, 2021
Kontakt: Kommunikation, Katrin Bühler