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05. September 2019

Resistenzen können sich auch ohne Antibiotika-Einsatz verbreiten

Antibiotikaresistenzen verbreiten sich nicht nur dort, wo viel Antibiotika eingesetzt werden, schliessen Forschende aus Laborexperimenten. Das bedeutet: Um Resistenzen einzudämmen reicht es nicht, den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren. Man sollte auch die Verbreitung resistenter Keime blockieren. An dieser Studie, die nun in «Nature» erschien, war Prof. Médéric Diard massgeblich beteiligt.

Salmonellen sind Durchfallerreger bei Tieren und beim Menschen. Zu einem besonderen Problem der öffentlichen Gesundheit werden sie dann, wenn sie resistent gegen Antibiotika sind (elektronenmikroskopische Aufnahme). (Bild: ETH Zürich / Stefan Fattinger)

Bakterien sind immer häufiger resistent gegen die gängigen Antibiotika. Vermittelt werden die Resistenzen häufig durch Resistenzgene, welche von einer Bakterienpopulation zur nächsten springen können. Eine gängige Annahme ist, dass sich die Resistenzgene vor allem dann verbreiten, wenn Antibiotika im Einsatz sind. Daher sind Gesundheitsexperten besorgt über eine exzessive Verwendung von Antibiotika und mahnen zu einem restriktiveren Einsatz.

Verbreitung von Resistenzen unabhängig von Antibiotika-Einsatz

Ein Team von Forschenden unter der Leitung von Wissenschaftlern der ETH Zürich und der Universität Basel entdeckte nun allerdings bei Darmbakterien einen zusätzlichen, bisher unbekannten Verbreitungsmechanismus für Resistenzgene, der unabhängig vom Einsatz von Antibiotika ist. 

«Antibiotika restriktiv einzusetzen ist zwar richtig und wichtig. Diese Massnahme reicht allerdings nicht aus, um die Verbreitung von Resistenzen zu vermeiden», sagt Médéric Diard, Professor am Biozentrum der Universität Basel und bis vor kurzem noch an der ETH Zürich tätig. «Wenn man die Verbreitung von Resistenzgenen eindämmen will, sollte dafür sorgen, dass sich die resistenten Bakterien nicht verbreiten können, zum Beispiel durch wirksamere Hygienemassnahmen oder Impfungen.» Diard leitete die Forschungsarbeit zusammen mit Wolf-Dietrich Hardt, Professor für Mikrobiologie an der ETH Zürich.

Kombination zweier Resistenzmechanismen

Verantwortlich für den neu entdeckten Verbreitungsmechanismus sind persistierende Bakterien. Diese fallen in einen temporären Dämmerzustand fallen und reduzieren ihren Stoffwechsel auf ein Minimum. Daher sind Antibiotika bei ihnen wirkungslos. Salmonellen bilden diese «Schläfer-Formen», wenn sie vom Darminneren ins Körpergewebe eingedrungen sind. Im Gewebe können die schlafenden Bakterien monatelang ein unauffälliges Dasein fristen, um später wieder aus ihrem Dämmerzustand zu erwachen. Sind die Bedingungen für das Überleben der Bakterien dann günstig, kann das zu einem Wiederaufflammen der Infektion führen.

Doch selbst, wenn die «Schläfer» keine neue Infektion verursachen, können sie sich nachteilig auswirken. Bei Salmonellen ist eine Kombination der beiden Resistenzmechanismen nämlich häufig, so tragen persistierende Bakterien oftmals auch kleine Erbgutstücke (Plasmide) mit Resistenzgenen. 

Reservoir für genetische Information

Wie die Forschenden in einem Mausmodell mit Salmonellen zeigten, können diese Schläfer die Resistenz sowohl an Artgenossen als auch an andere Arten weitergeben, etwa Kolibakterien aus der normalen Darmflora. Wie die Experimente zeigten, übertragen die persistenten Salmonellen ihre Resistenzgene sobald sie aus dem Dämmerzustand erwachen und auf Bakterien treffen, die für eine Gen-Weitergabe empfänglich sind. «Die Resistenzplasmide nutzen also ihr persistentes Wirtsbakterium aus, um für längere Zeit in einem Wirt zu überdauern und sich anschliessend auf andere Bakterien zu übertragen. Das treibt ihre Verbreitung voran», erklärt ETH-Professor Hardt. Dieser Austausch geschieht völlig unabhängig davon, ob Antibiotika zugegen sind oder nicht.

Was die Forschenden bei Mäusen gezeigt haben, müsste nach ihrer Ansicht nun auch bei Nutztieren, die häufig unter Salmonelleninfektionen leiden, genauer untersucht werden. Ob sich die Verbreitung von Resistenzen in Nutztierpopulationen durch Probiotika oder eine Impfung, die vor einer Salmonelleninfektion schützt, eindämmen liesse, ist eine weitere Frage, die es noch zu beantworten gilt.
 

Originalbeitrag:
Bakkeren E, Huisman JS, Fattinger SA, Hausmann A, Furter M, Egli A, Slack E, Sellin ME, Bonhoeffer S, Regoes RR, Diard M, Hardt WD: Salmonella persisters promote the spread of antibiotic resistance plasmids in the gut. Nature, published online 4 September 2019.

Kontakt: ETH Zürich, Hochschulkommunikation