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06. Mai 2025

Langsam wachsende Bakterien reagieren empfindlicher auf ihre Umgebung

Bakterien haben einen einfachen aber wirkungsvollen Mechanismus, der steuert, wie empfindlich sie auf Umweltreize reagieren. Eine neue Studie des Forschungsteams von Prof. Erik van Nimwegen am Biozentrums der Universität Basel zeigt, dass die Reaktionsfreudigkeit der Zellen direkt mit deren Wachstumsrate zusammenhängt: Je langsamer eine Zelle wächst, desto empfindlicher reagiert sie auf ihre Umgebung. Diese erhöhte Sensibilität kann den Zellen einen entscheidenden Überlebensvorteil verschaffen.

E. coli Bakterien

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von E. coli Bakterien (Alex Böhm, Gruppe Jenal, Biozentrum/ Nano Imaging Lab SNI, University of Basel).

Die Forschungsgruppe von Prof. Erik van Nimwegen am Biozentrum der Universität Basel hat einen neuen Mechanismus bei Bakterien entdeckt, der ihre Reaktion auf die vorherrschenden Umweltbedingungen steuert. Abgeleitet haben sie ihre Theorie von einer ebenso einfachen wie beeindruckenden Beobachtung: Das Wachstumstempo von Bakterien und die Sensibilität für Signalmolekülen scheinen demnach zusammenzuhängen. Die Theorie über den zugrundeliegenden Mechanismus hat das Forschungsteam anschliessend bei E. coli-Bakterien nachgewiesen. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt in «Science Advances» veröffentlicht.

Einfach und faszinierender Mechanismus

«Wir haben festgestellt, dass Zellen umso empfindlicher auf Signale aus der Umgebung reagieren, je langsamer die Zelle wächst», erklärt Erstautor Thomas Julou. «Was uns besonders fasziniert hat, ist die Einfachheit dieses Mechanismus und wie universell er vermutlich in biologischen Systemen vorkommt.» Wenn das Leben gut läuft und die Zellen schnell wachsen, ignorieren sie den «Lärm» der Umgebung. Wenn es ihnen schlecht geht, «hören» sie hingegen ganz genau hin, erkunden so die Umgebung und leiten davon neue Überlebensstrategien ab.

Die zugrundeliegende Theorie: Das Wachstumstempo einer Zelle bestimmt, wie schnell Signalmoleküle in der Zelle verdünnt werden, einschliesslich der Signalmoleküle, die an der Genregulation beteiligt sind. Bei schnell wachsenden Zellen verschwinden Signalmoleküle durch diese Verdünnung rascher, sodass äussere Reize gedämpft werden und die Zelle sie effektiv weniger stark wahrnimmt. In langsam wachsende Zellen hingegen bleiben die Signalmoleküle länger erhalten, können sich leichter ansammeln und machen die Zellen dadurch empfindlicher für Umweltveränderungen.

 

 

Experiment mit E. coli bestätigt Theorie

Die Forschungsgruppe konnten diesen Zusammenhang nicht nur theoretisch ableiten, sondern auch experimentell bei E. coli-Bakterien belegen. Zum Einsatz kamen moderne Methoden wie die Mikrofluidik in Kombination mit Zeitraffermikroskopie zur Einzelzellanalyse. Einige Ergebnisse wurden jedoch auch mit klassischen Experimenten erzielt, die schon in den Anfängen der Molekularbiologie möglich gewesen wären.

Einblick in bakterielle Entscheidungsprozesse

«Für mich persönlich zeigt die Studie sehr eindrücklich, dass selbst grundlegende biologische Prinzipien, die im Nachhinein offensichtlich erscheinen, manchmal erst durch eine theoretische Analyse entdeckt werden», sagt Erik van Nimwegen. Der neu entdeckte Zusammenhang zwischen Zellwachstum und Signalverarbeitung liefert zudem neue Einsichten in die Logik zellulärer Entscheidungsprozesse und hat weitreichende Auswirkungen auf das Verständnis des bakteriellen Verhaltens, einschließlich der Antibiotikaresistenz.

Originalpublikation:
Thomas Julou, Théo Gervais, Daan de Groot, Erik van Nimwegen: Growth rate controls the sensitivity of gene regulatory circuits. Science Advanced; published online 25 April 2025

Kontakt: Kommunikation, Heike Sacher