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02. Juni 2023

Stillgelegt: «Barcode» entscheidet über Schicksal von Rezeptorprotein

Rezeptorproteine dienen der Zelle als «Augen und Ohren». Die grösste Rezeptor-Familie sind die sogenannten G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Sie reagieren auf ein breites Spektrum an Signalen, von Licht über Hormone bis hin zu Düften. Forschende unter der Leitung von Prof. Stephan Grzesiek vom Biozentrum, Universität Basel, haben nun ein spezifisches Erkennungsmuster entdeckt, das wie ein Barcode funktioniert und den Rezeptor stilllegt. Dadurch wird die Weiterleitung von Signalen in der Zelle gestoppt.

Illustration von Rezeptorprotein (blau) mit spezifischem Erkennungsmerkmal (pink)

Rezeptoren aus der Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren besitzen ein spezifisches Erkennungsmerkmal, welches über ihr Schicksal entscheidet. (Bild: Anna Golynski)

Duftstoffe, Licht, Hormone sowie eine Vielzahl weiterer Signale werden durch eine grosse Gruppe von Proteinen, den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs), erkannt. Sie befinden sich auf der Zelloberfläche und wandeln äussere Reize in eine physiologische Antwort um, beispielsweise Angst in Herzrasen oder eine Infektion in eine Entzündung. Diese Rezeptoren spielen bei vielen lebenswichtigen Prozessen eine zentrale Rolle und sind daher auch an der Entstehung verschiedenster Erkrankungen beteiligt, dazu gehören Depressionen, Krebs und Herz-Kreislauf-Krankheiten.

Beim Menschen sind über 800 GPCRs bekannt. Sie sind Angriffsorte für mehr als ein Drittel aller derzeit zugelassenen Arzneimittel, darunter wichtige und erfolgreiche Medikamente gegen eine Vielzahl von Krankheiten wie AIDS oder Bluthochdruck. Das stetig wachsende Verständnis der Funktionsweise dieser Rezeptoren beflügelt derzeit die Entwicklung völlig neuer therapeutischer Ansätze.

Weniger bekannt ist allerdings, wie aktive GPCRs wieder abgeschaltet werden, wenn das Signal nicht mehr gesendet werden soll. Gemeinsam mit Forschenden des «Indian Institute of Technology», hat das Team um Prof. Stephan Grzesiek am Biozentrum, Universität Basel, nun ein wichtiges Erkennungsmuster entdeckt, das bestimmt, ob der Rezeptor stillgelegt wird. Die Ergebnisse sind soeben in «Molecular Cell» erschienen. 

«Barcode» als Erkennungszeichen für Rezeptor

Für unseren Körper ist es enorm wichtig, aktive Rezeptoren wieder abzuschalten und damit die Signalweiterleitung zu unterbrechen. So muss sich beispielsweise der Herzschlag, sobald eine Gefahr vorüber ist, wieder normalisieren. «Erstaunlicherweise sind nur zwei Proteine, bekannt als Arrestine, dafür zuständig, die vielen Hundert GPCRs abzuschalten und aus dem Verkehr zu ziehen», sagt Erstautorin Polina Isaikina. «Wir haben nun ein biochemisches Erkennungsmotiv, einen Cluster von geordneten Phosphatresten, entdeckt, das an sehr vielen der unterschiedlichsten GPCRs vorhanden ist. Dieses sorgt für die Rekrutierung von Arrestin an die Rezeptoren.» Das Motiv funktioniert wie ein Barcode und bestimmt, ob der Rezeptor abgebaut oder recycelt wird.

In ihrer Studie haben die Wissenschaftler ein bekanntes Mitglied der GPCR-Familie untersucht: den CCR5-Rezeptor. Er befindet sich auf den Immunzellen und steuert die Immunantwort. Er ist gleichzeitig das Einfallstor für das AIDS-Virus und dient als Angriffspunkt für HIV-Medikamente. «Mit einer Kombination vieler Technologien wie Röntgenkristallographie, Kernmagnetresonanzspektroskopie sowie biochemischen und zellbasierten Methoden konnten wir am Endstück des CCR5 ein spezifisches Muster, bestehend aus Phosphatgruppen, identifizieren», so Mitautorin Ivana Petrovic. «Es ist dafür verantwortlich, dass Arrestin 2 fest an CCR5 bindet und gibt der Zelle damit zu verstehen, dass der Rezeptor abgeschaltet werden soll.»

Mit «Barcode» lässt sich Schicksal von Rezeptor vorhersagen

Aufgrund seiner Schlüsselrolle bei Entzündungsreaktionen muss ein aktiver CCR5-Rezeptor schleunigst wieder beseitigt werden, um Folgeschäden zu vermeiden. Das Auslesen des biochemischen «Barcodes» erlaubt es den Forschenden das Abschalten des Rezeptors und die Folgen – Abbau oder Recycling  – vorherzusagen.

«Unsere Ergebnisse geben neue Einblicke zu grundlegenden Fragen der Signalübertragung in der Zelle. Auf dieser Basis liessen sich neue therapeutische Strategien entwickeln. So könnte man beispielsweise gezielt in die Signalübertragung von Rezeptoren in Immunzellen eingreifen, um Schäden durch Entzündungen zu verhindern», betont Polina Isaikina.


Originalartikel:
Polina Isaikina, Ivana Petrovic, Roman P. Jakob, Parishmita Sarma, Ashutosh Ranjan, Minakshi Baruah, Vineet Panwalkar, Timm Maier, Arun K. Shukla, Stephan Grzesiek. A key GPCR phosphorylation motif discovered in arrestin2•CCR5 phosphopeptide complexes. Molecular Cell, published online 26 May 2023

Kommunikation: Biozentrum, Katrin Bühler