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22. Februar 2021

Wenn Muskeln altern - den Ursachen des Muskelschwunds auf der Spur

Der übermässige Muskelabbau im Alter beeinträchtigt die Lebensqualität enorm. Tiermodelle sollen dabei helfen, den Alterungsprozess besser zu verstehen und Therapien zu finden. Jedoch sind Ergebnisse oft nur begrenzt auf den Menschen übertragbar. Daher haben Forschende vom Biozentrum der Universität Basel nun überprüft, inwiefern sich gängige Tiermodelle zur Erforschung des altersbedingten Muskelschwunds beim Menschen eignen. Neben vergleichbaren Mechanismen entdeckten sie auch mögliche neue therapeutische Angriffspunkte.

Der Muskelgewebeschnitt zeigt die Aktivität eines mitochondrialen Enzyms, welches an der Zellatmung und Energieproduktion beteiligt ist.

Der Mensch verliert im Laufe seines Lebens etwa ein Drittel seiner Muskelmasse. Bei einer übermässigen Abnahme der Muskelmasse und -kraft, spricht man von Sarkopenie. Mit der steigenden Lebenserwartung leiden immer mehr Menschen an altersbedingter Muskelschwäche. Man schätzt, dass in 40 Jahren weltweit etwa 200 Millionen Menschen davon betroffen sind. Hinauszögern lässt sich der Muskelabbau durch körperliches Training und einer angepassten Ernährung, Medikamente gibt es derzeit noch nicht.

Da sich die Krankheit beim Menschen über einen sehr langen Zeitraum entwickelt, nutzen Forscher häufig Modellorganismen mit kürzerer Lebensspanne, um dem Phänomen Sarkopenie auf den Grund zu gehen. Doch artspezifische Besonderheiten setzen solchen Tiermodellen Grenzen.

Modelle für die Alternsforschung auf dem Prüfstand

Forschende um Prof. Mihaela Zavolan und Prof. Markus Rüegg am Biozentrum, Universität Basel, haben untersucht, welche Fragestellungen zum Muskelschwund sich mit welchem Tiermodell am besten beantworten lassen. In ihrer Studie identifizierten sie zudem mögliche therapeutische Angriffspunkte und sie zeigen, dass klinische Merkmale wie die Muskelmasse oder -kraft besser geeignet sind, um Aussagen über den Zustand der Muskulatur zu treffen, als das objektive Alter.

«Jedes Individuum altert unterschiedlich. Dies ist ein wichtiger Aspekt bei der Erforschung von Alterungsprozessen», sagt Zavolan «Bezieht man die molekularen Daten einzig auf das Alter, besteht die Gefahr, dass mögliche Einflussfaktoren und Zusammenhänge übersehen werden.» Die Ursachen für die altersbedingten Muskelschwund sind vielfältig: Veränderungen der Proteinsynthese, entzündliche Prozesse und Schäden am Erbgut sowie an den Mitochondrien, den zellulären Energiefabriken, schwächen die Muskeln und schränken ihre Funktion ein.

Massnahmen gegen Muskelschwund frühzeitig ergreifen

Die Wissenschaftler verglichen in der Studie klinische und molekulare Parameter aus Muskelgewebe von Mäusen, Ratten und Menschen systematisch über die Zeit. «Grundsätzlich sind Nager geeignete Modelle, um die Sarkopenie zu erforschen, auch wenn sie sich in manchen Aspekten vom Menschen unterscheiden», so Zavolan. «Vergleichbar waren insbesondere die altersbedingten Veränderungen im Muskelstoffwechsel und den Signalwegen, wie beispielsweise Mechanismen, die die Muskelproteinsynthese oder die Funktionstüchtigkeit von Mitochondrien steuern. Massnahmen für gesunde Mitochondrien könnten den Muskelabbau verlangsamen.»

Im Gegensatz zu Mäusen und Ratten treten beim Menschen die ersten Anzeichen von Veränderungen in der Muskulatur bereits im mittleren Alter auf. Auf molekularer Ebene erfolgen diese nicht schleichend, sondern in zwei Wellen. «Damit die Muskelmasse möglichst lange erhalten bleibt, ist es ist also wichtig unser Verhalten rechtzeitig zu ändern», betont Rüegg. «Es wäre auch wünschenswert, wenn wir erste Anzeichen von Sarkopenie bereits früh erkennen.»

Der gesamte Datensatz mit den klinischen und molekularen Parametern steht Wissenschaftlern weltweit auf der interaktiven Plattform «SarcoAtlas» zur Verfügung.

Originalpublikation:
Anastasiya Börsch, Daniel J. Ham, Nitish Mittal, Lionel A. Tintignac, Eugenia Migliavacca, Jérôme N. Feige, Markus A. Rüegg, Mihaela Zavolan. Molecular and phenotypic analysis of rodent models reveals conserved and species-specific modulators of human sarcopenia. Communications Biology, published online 12 February 2021

Kontakt: Kommunikation, Katrin Bühler