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31. Mai 2022

Nano-Harpune von Bakterien entpuppt sich als Präzisionswaffe

Eine Vielzahl von Bakterien besitzen eine Nano-Harpune, mit der sie ihren Konkurrenten den Garaus machen. Das Team von Prof. Marek Basler vom Biozentrum der Universität Basel hat nun herausgefunden, dass einige von ihnen sie nicht wahllos abfeuern. Sie bauen ihre Waffe erst nach direktem Kontakt mit dem Rivalen zusammen und schiessen sie gezielt in dessen Richtung ab. Dies schont Ressourcen und verbessert die eigenen Erfolgsaussichten.

Bakterielle Nano-Harpune in Aktion: Bakterien positionieren ihre T6SS-Waffe (grün oder pink) exakt an der Stelle, wo sie die Nachbarzelle berühren.

Egal wo man hinkommt, immer ist schon jemand da. Für kaum ein Lebewesen ist dies wohl zutreffender als für Bakterien. Um sich behaupten zu können und unliebsame Rivalen aus dem Weg zu räumen, setzen eine Vielzahl von Bakterien auf eine ausgeklügelte Waffe: das Typ-VI-Sekretionssystem, kurz T6SS. Mit dieser Nano-Harpune injizieren sie ihren Konkurrenten einen tödlichen Cocktail aus Giftstoffen und setzen sie so ausser Gefecht. 

Nano-Harpune wird präzise positioniert

In den vergangenen Jahren hat Prof. Marek Basler und sein Team am Biozentrum der Universität Basel bereits viele wichtige Aspekte zum Aufbau, der Arbeitsweise und dem Einsatz der bakteriellen Nano-Harpune aufgedeckt. In der aktuellen Studie, die kürzlich im EMBO Journal erschien, konnten die Forschenden nun zeigen, dass einige Bakterien ihre Waffe nicht ziellos abfeuern. 

«Bei Berührung mit einer Nachbarzelle positionieren die Bakterien ihre Nano-Harpune exakt an der Kontaktstelle und spritzen den Giftcocktail ein», sagt Basler. «Der gute ˂Tastsinn˃ der Angreifer und die Präzision des T6SS-Injetionsapparats hat uns ziemlich beeindruckt.»

Effizienter Einsatz von Nano-Maschine 

Das T6SS setzt sich wie eine Harpune aus verschiedenen Bauteilen zusammen. Dazu gehören ein äusserer Schaft, ein Speer mit einer scharfen Spitze sowie eine Bodenplatte, mit der die Nano-Maschine in der Bakterienhülle fest verankert ist. Für den Bau des T6SS und den Giftcocktail werden hunderte Proteine benötigt. Das Herstellung der Harpune mit Munition ist für die Bakterien daher mit hohen Kosten verbunden. 

Zahlreiche Bakterien, darunter auch Keime wie der Choleraerreger, setzen ihre Nano-Harpune eher nach dem Zufallsprinzip ein. «Die zufällige Montage und das ziellose Abfeuern der Harpune, bei der die Zielzelle womöglich gar nicht getroffen wird, ist eine Verschwendung», so Erstautorin Dr. Lin Lin. «Die genaue Positionierung und ein akkurates Timing erhöhen die Wahrscheinlichkeit den Gegner wirklich zu treffen und verbessern das Kosten-Nutzen-Verhältnis.»

Montage des T6SS erst nach Kontakt mit Rivalen

«Auch die von uns untersuchten Acinetobacter-Arten und Burkholderia thailandensis, deren Verwandte schwere Infektionen bei Menschen oder Tieren hervorrufen, feuern ihre Nano-Harpune blind in die Umgebung ab», betont Lin. «Doch im Gegensatz zu vielen anderen Bakterien können sie ihre Waffe auch gezielt einsetzen. Sie ˂spüren˃, wenn sie mit der Nachbarzelle in Kontakt kommen.» 

Genau an dieser Stelle bauen sie innerhalb von Sekunden ihre Harpune zusammen, durchbohren die Membran des Gegners mit dem Speer und injizieren die toxischen Proteine. Bei dieser kontaktabhängigen T6SS-Montage spielt das Membranprotein OmpA sowie ein erst kürzlich neu beschriebenes Protein im Membranspalt eine Schlüsselrolle. Einmal in Position gebracht, kann das T6SS gleich mehrfach abgefeuert werden. Das erhöht die Schlagkraft und lässt dem Opfer kaum eine Chance dem Angriff standzuhalten.

Zielgerichtet anzugreifen, ist eine viel effizientere Strategie sich seiner Rivalen zu entledigen und neue ökologische Nischen zu erobern. «Dies ist im Konkurrenzkampf mit anderen Bakterien sicherlich von Vorteil», meint Basler. 

Originalartikel:
Lin Lin, Raffaella Capozzoli, Alexia Ferrand, Miro Plum, Andrea Vettiger, and Marek Basler. Subcellular localization of Type VI secretion system assembly in response to cell-cell-contact. EMBO Journal, published online 30 May 2022

Kontakt: Kommunikation, Katrin Bühler