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11. Oktober 2023

Win-Win in der Muskelforschung: schnellere Ergebnisse und weniger Versuchstiere dank neuer Methode

Um Muskelerkrankungen zu erforschen, sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Mäuse als Modellorganismus angewiesen. Die Forschungsgruppe von Markus Rüegg am Biozentrum der Universität Basel hat nun eine neue Methode entwickelt, die nicht nur schneller und effizienter als die herkömmlichen ist, sondern gleichzeitig bei der Erforschung der Funktion von Genen in Muskelfasern die Anzahl der benötigten Versuchstiere stark reduziert.

Forschende setzen 3R-Prinzipien um: «Replacement, Reduction, Refinement». Muskelfasern sowie neuromuskuläre Erkrankungen lassen sich zukünftig effizient erforschen, ohne dass eine Vielzahl von Mäusen zum Einsatz kommen. © University of Basel, Philippe Wiget

Um die Struktur und Funktion der Skelettmuskulatur, neuromuskuläre Erkrankungen sowie Alterungsprozesse im Muskel zu erforschen, ziehen Forschende Mäuse als Modellorganismen heran. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich dabei ihrer Verantwortung beim Einsatz von Tieren bewusst und haben sich an der Universität Basel dazu verpflichtet, die sogenannten 3R-Prinzipien – «Replacement, Reduction, Refinement» – konsequent in der tiergestützten Forschung und Tierhaltung umzusetzen. 

Die neu entwickelte Methode der Forschungsgruppe von Prof. Markus Rüegg am Biozentrum, Universität Basel, ist ein weiterer Schritt, um die Zahl der Versuchstiere zu reduzieren. Für die Forschung eröffnet die Methode zudem neue Wege, um schnell, kostenreduziert und effizient mehrere Gene gleichzeitig oder gar ganze Signalwege in Muskelfasern zu erforschen. Die Ergebnisse der Studie sind in «Nature Communications» veröffentlicht.

Die Schwierigkeit Muskelfasern zu erforschen

Die Untersuchung von Genen im Muskeln ist nicht einfach. Zum einen sind Muskelfasern sehr gross und leicht zerbrechlich, wenn man sie isoliert. Zum anderen können sie im Menschen bis zu einem halben Meter lang sein und tausende von Zellkernen beinhalten. Möchte man die Gene in diesen Zellkernen verändern und untersuchen, müssen dazu alle Zellkerne verändert werden. Das stellt Forschende seit jeher vor grosse Herausforderungen. 
Wissenschaftler greifen für solche Untersuchungen seit einigen Jahren auf die CRISPR/Cas9-Methode zurück. Bei dieser verwendet man ein Virus, mit dem man das sogenannte Cas9-Protein sowie eine speziell designte «Guide»-RNA in den Organismus und damit in die Zellkerne einschleust. Das Cas9-Protein sorgt dafür, dass das Erbgut der Zellkerne an der von der «Guide»-RNA erkannten Stelle auseinandergeschnitten und verändert wird. Diese Kombination aus Cas9-Protein und «Guide»-RNA ermöglicht es, die Funktion von Genen zu verändern.

Die CRISPR-Cas9-Methode lässt sich splitten

Damit jedoch das Virus nur die Zellkerne der Muskelfasern verändert und nicht die Zellkerne anderer Organe gleich mit, hat das Forschungsteam die CRISPR/Cas9-Methode mit einer weiteren Methode kombiniert: Zunächst gelang es den Forschenden Mäuse zu züchten, in deren Muskelzellen das Cas9-Protein bereits vorhanden war – und zwar nur dort. Anschliessend schleusten sie die gewünschte «Guide»-RNA mit einem sogenannten Adeno-assoziiertes Virus in den Organismus ein, das speziell die Muskelzellen befällt. 

Diese Kombination führt dazu, dass die «guide»-RNA in den Muskelfasern auf das Cas9-Protein trifft und das Erbgut wie gewünscht verändert wird. «Die Methode ermöglicht uns, dass tatsächlich nur die Muskelfasern ihr Erbgut verändern», erklärt Erstautor Marco Thürkauf.

Weniger Versuchstiere und effizientere Resultate 

Da das Adeno-assoziiertes Virus auch mehrere «guide»-RNA-Stränge gleichzeitig transportieren kann, kann das Team nun mit Hilfe der Methode die Funktion mehrerer Gene gleichzeitig oder sogar ganze Signalwege in Muskelfasern erforschen. Zudem reduziert die Methode die Anzahl der Tiere, die für einen Versuch benötigt werden, deutlich. «Alle eingesetzten Tiere sind zur Untersuchung der Gene geeignet und müssen nicht erst über Jahre gezüchtet werden. So können die Muskelfasern sowie neuromuskuläre Erkrankungen erforschen werden, ohne dass eine Vielzahl von Mäusen zum Einsatz kommen», so Marco Thürkauf.

Auch andere Forschungsgruppen haben bereits ihr Interesse signalisiert. «Wir haben schon jetzt mehrere interessierte Gruppen in unserer Forschungsgemeinschaft, die unsere Methode gerne einsetzen würden», so Markus Rüegg. «Das ist sowohl für die Muskelforschung an sich als auch für unser Ziel, Tierversuche zu reduzieren, ein grosser Gewinn.»

Link: 3R Prinzipien

Originalbeitrag:
Marco Thürkauf, Shuo Lin, Filippo Oliveri, Dirk Grimm, Randall J. Platt & Markus A. Rüegg: Fast, multiplexable and efficient somatic gene deletions in adult mouse skeletal muscle fibers using AAV-CRISPR/Cas9. Nature Communications. Published online September 30, 2023.

Kontakt: Kommunikation, Heike Sacher