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Interview mit Alexander Kuznetsov

Vom Medizinstudium in der Pädiatrie zum Masterstudium in Bioinformatik, von der Industrie in die Akademie und von Moskau über Armenien nach Basel. Alexander Kuznetsov prüft alles auf Herz und Niere, bevor er seine Entscheidungen trifft. Dass er im Rahmen seines Biozentrum Fellowships die Wahl der Forschungsgruppe für sein PhD erst nach einer Rotation treffen kann, kommt ihm daher sehr gelegen.
 


Woher kommst du und was hast du für einen wissenschaftlichen Hintergrund?
Ich bin in Moskau aufgewachsen und habe zuerst ein Medizinstudium in der Pädiatrie gemacht. Schon vor meiner Assistenzzeit auf der Intensivstation hatte ich das Gefühl, dass die akademische Welt irgendwie besser zu mir passen würde. Da ich aber nicht ganz sicher war und mich später nicht mit Zweifeln herumplagen wollten, dachte ich, ich probiere es einfach mal aus. Mir war schnell klar, dass mich mein Gefühl nicht getrogen hatte und so entschied ich nach einem halben Jahr, einen Master in Bioinformatik zu machen.

Wieso Bioinformatik?
Ich hatte schon während des Gymnasiums einige Erfahrung in physikalischen und mathematischen Themen sowie im Programmieren gesammelt und so war für mich die Bioinformatik die perfekte Möglichkeit, dies mit meinem Know-how in Biologie zu kombinieren. Ich habe mich dann an der Skoltech beworben, das ist eine junge Top-Uni, die erst 2011 gegründet wurde und an der man auf Englisch studieren kann. Während des Studiums war ich dann ganz begeistert vom maschinellen Lernen und von der Idee, komplexe biologische Probleme mithilfe von Algorithmen zu verstehen.

Nach deinem Master bist du dann direkt in die Industrie zu BostonGene gegangen?
Nein, ich habe bereits während meines Masters bei BostonGene gearbeitet und dort mein obligatorisches Praktikum gemacht. BostonGene nutzt KI-basiertes Molekular- und Immunprofiling, um personalisierte Therapien für Krebspatienten zu entwickeln. Von daher habe ich mich dort vor allem mit maschinellem Lernen beschäftigt, aber mein Fachwissen in Biologie und Medizin kam mir natürlich sehr zugute. Als dann der Krieg ausbrach, beschloss das Unternehmen, das je einen Sitz in Amerika und in Moskau hatte, nach Armenien umzusiedeln. So kam es, dass ich fast zwei Jahre lang in Jerewan gelebt und gearbeitet habe.

Warum hast du dich entschieden einen PhD zu machen?
In der Industrie zu arbeiten war grundsätzlich spannend und in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung hatte man auch einiges an Freiheiten. Aber mit der Zeit wurde mir klar, dass ich mein Wissen in diesem Bereich vertiefen wollte und dass ich von der Industrie als Konzept ein bisschen müde war. Ich fühle mich mehr zur Wissenschaft hingezogen.

Und wie hast du vom Biozentrum erfahren?
Am Anfang habe ich mich in ganz Europa umgeschaut, aber als ich mehr ich in die Materie eintauchte, wurde mir schnell klar, dass die Schweiz und insbesondere Basel das beste Umfeld für die Biotechnologie bietet. Von dort war es dann nur noch ein Katzensprung, um auf die Biozentrum Fellowships zu stossen und zum Glück kam ich in die engere Wahl und wurde zur Interviewwoche eingeladen. Und das war echt eine lustige Story. Ich wusste nämlich nicht, dass sich Daniil, ein Kollege von BostonGene, auch beworben hatte. Am Ende sind wir gemeinsam nach Basel gereist, haben unsere Jobs gekündigt und am selben Tag hier angefangen. Jetzt teilen wir uns hier eine Wohnung. 

Nochmals kurz zurück. Wie war die Interviewwoche?
Da ich der Erste war, der seinen Vortrag vor dem Plenum halten musste, hatte ich gar keine Zeit, nervös zu werden (lacht). Die Woche war grossartig. Ich hatte Interviews mit etwa acht Gruppenleitern, vor allem aus dem Bereich der Computational Biology. Das war total spannend. Und die Organisation war perfekt. Angie und Susanna vom PhD Student Office haben mir schon im Vorfeld geholfen und mir ein Einladungsschreiben geschickt, damit ich das Visum beantragen konnte. Und das ganze Rahmenprogramm, das sie auf die Beine gestellt hatten, hat viel dazu beigetragen, den Geist des Biozentrums zu spüren und die Umgebung besser kennenzulernen.

Was ist das Besondere am Fellowship?
Für mich ist das Wichtigste das Rotationssystem. Das ist wirklich einzigartig. Du kannst jeweils zwei Monate lang in zwei bis drei verschiedenen Laboren arbeiten, bevor du dich entscheidest, wo du deinen PhD machen möchtest. Das ist echt super, denn die Doktorarbeit dauert schliesslich vier Jahre und da kommt es dann schon sehr darauf an, dass man zum Gruppenleiter passt und sich mit ihm oder ihr gut versteht. Ich habe einige Freunde, die sich für ihre Doktorarbeit direkt bei einem Labor beworben, dann aber nach einem halben Jahr gewechselt oder aufgehört haben. Deshalb bin ich wirklich froh, dass ich erst diese Rotationen mache und dann eine gut begründete Entscheidung treffen kann.

Du hast in deinem Spezialgebiet bei Richard Neher in der Bioinformatik angefangen. Jetzt hast du soeben in die Entwicklungsbiologie zu Susan Mango gewechselt. Wieso diese Wahl?
Die Bioinformatik ist ein sehr breites Gebiet. Manche Leute sagen sogar, dass es sich nicht um eine Wissenschaft an und für sich handelt, sondern um ein Werkzeug, das es ermöglicht, biologische Daten mit rechnerischen Methoden zu analysieren. Bei BostonGene arbeitete ich hauptsächlich an RNA-Sequenzierungs- sowie Krebs- und Tumordaten. Richards Labor betreibt bakterielle und virale Phylogenetik, das ist etwas völlig anderes. Und Susan untersucht Chromatin, was ich zumindest schon von meiner Masterarbeit her kenne. Heutzutage produziert jedes Labor riesige Datenmengen und da Susan mir während der Interviewwoche gesagt hatte, dass sie gerne einen Doktoranden hätte, der ihre Daten aus Perspektive der Computational Biology analysiert, mache ich meine zweite Rotation in ihrem Labor. Die dritte wird dann im Labor von Attila Becskei sein.

Besuchst du auch Lehrveranstaltungen des Graduate Teaching Programs?
Als ich Anfang Dezember angefangen habe, waren die meisten Kurse schon mitten am Laufen, so dass ich sie nicht mehr belegen konnte.  Aber ich habe soeben am zweiwöchigen Crashkurs für PhD Studenten im ersten Jahr „How to be a scientist“ teilgenommen. Das war ziemlich intensiv und gab mir einen guten Überblick, welche Ressourcen du am Biozentrum nutzen kannst. So haben wir zum Beispiel alle Technologieplattformen kennengelernt. Wir haben auch Verschiedenstes geübt, mussten Vorträge halten oder Artikel aus Forschungsgebieten analysieren, mit denen wir nicht vertraut sind. Und natürlich war auch der soziale Aspekt sehr schön. Anders als bei meinem Master, wo alle Studierenden gleichzeitig angefangen hatten, fängt man als Doktorand im Grunde ziemlich alleine an. Von daher war es super, andere PhD Studenten kennenzulernen und neue Freunde zu finden.

Und wie ist der Austausch innerhalb der Forschungsgruppen?
Mit den Leuten in Richards Gruppe hatte ich es echt gut. Wir haben nicht nur im Labor zusammengearbeitet, sondern uns auch ausserhalb zum Apéro oder bei jemandem zu Hause getroffen. Richards Gruppe ist sehr international, fast jeder kommt aus einem anderen Land und ich fand es toll, gemeinsam mit Leuten mit unterschiedlichsten Perspektiven zu diskutieren. In Susans Labor war ich bis jetzt ja nur ein paar Tage, aber ich habe den Eindruck, dass am Biozentrum alle sehr herzlich sind. Dieses Gefühl hatte ich schon während der Interviewwoche und das war auch einer der Gründe, warum ich hierhergekommen bin.

Du bist von einer Weltstadt in eine Grossstadt und nun nach Basel gezogen. Wie fühlst du dich hier?
Ich habe sozusagen Schritt für Schritt redimensioniert (lacht). Moskau hat etwa 15 Millionen Einwohner. Von dem Vorort, in dem ich wohnte, brauchte ich eineinhalb Stunden mit der U-Bahn, um ins Zentrum zu fahren. In Jerewan in Armenien hatte ich bereits das Gefühl, in einer kleinen Stadt zu sein, da ich überall zu Fuss hinging. Was mir hier wirklich gefällt, ist, dass man sich in 15 Minuten mit jemandem treffen kann. Und wenn ich dann noch wie fast jeder hier ein Fahrrad habe, bin ich sogar noch schneller. Unglaublich ist, dass ich hier buchstäblich durch drei Länder spazieren gehen kann. Deutschland und Frankreich sind von meinem Zuhause aus problemlos zu Fuss erreichbar. Und ich freue mich sehr darauf, im Sommer im Rhein schwimmen zu gehen. Der fliesst direkt unter meinem Fenster vorbei.

Du bist jetzt seit zweieinhalb Monaten hier. Hast du dich schon gut eingewöhnt?
Ich kämpfe immer noch mit einigem Papierkram und ich muss mich erst daran gewöhnen, dass am Sonntag alle Geschäfte geschlossen sind. Aber ich bekomme schon etwas Routine.  Ich gehe regelmässig an der Wiese laufen und ins Uni Fitnesscenter. Auch habe ich schon einige Museen besucht, aber es gibt noch so viel zu entdecken. Als Neuzuzüger bekommt man von der Stadt ein ganzes Buch mit Gutscheinen für Museen und solche Sachen und auch für einen Deutschkurs, den ich hoffentlich nächsten Monat starten kann. Ich kann schon etwas Deutsch, da meine Grossmutter deutschsprachig ist und ich liebe es, Sprachen zu lernen, getreu dem Zitat von Wittgenstein: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“. Ich kann auch etwas Spanisch, Französisch und Polnisch und wenn man will, kann man hier alle Sprachen üben. Basel ist eine sehr internationale Stadt. Das passt perfekt.