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Keine leichte Reise…

Yuping Li ist eine eher ruhige Person. Der Druck und Stress, den sie in ihrem Leben aushalten musste , merkt man ihr nicht an. Vor allem ihre Herkunft aus China hat es ihr nicht immer leichtgemacht. Mehrere Jahre lang konnte sie ihre Familie nicht besuchen. Und auch dieses Interview wäre beinahe nicht zustande gekommen: Yuping war in Australien, hatte kein Visum für die Schweiz, und musste erst in die USA zurückkehren, bevor sie den Flieger nach Basel nehmen konnte. Doch sie nimmt es gelassen, ist fröhlich und voller Energie.

Woher kommst du ursprünglich und wie bist du aufgewachsen?
Ich komme aus einem Dorf im Norden Chinas, aus einer historischen Region, die vor 3000 Jahren eine alte Hauptstadt war. Ich bin mit zwei Geschwistern aufgewachsen, was für Chinesen aufgrund der Ein-Kind-Politik eher ungewöhnlich ist. Aber im Hinblick auf die Region, aus der ich komme, wird es verständlicher: Dort sind die Menschen in gewisser Weise sehr konservativ, folgen alten Traditionen und Vieles ist nicht so genau geregelt.

Was machen deine Eltern?
Nun, meine Eltern sind keine Wissenschaftler. Sie haben auch nicht studiert, da dies in der Gegend, in der sie lebten, nicht üblich war. Sie haben gleichzeitig in der Landwirtschaft und in einer Fabrik gearbeitet, da sie wie viele andere Menschen nicht genug Land hatten, um nur von der Landwirtschaft zu leben. Es war also nicht einfach für sie.

Umso bemerkenswerter ist es, dass du jetzt hier am Biozentrum bist…
Bei uns gab es eine Schulpflicht und ich hatte eine solide Grundschulausbildung. Nach der Primarschule ging ich auf die Mittelschule. Damals habe ich mich vor allem für Physik interessiert und wollte Physikerin werden. In der Mittelschule musste ich ein relativ strenges Auswahlverfahren durchlaufen. Jedes Jahr gab es eine Prüfung, bei der man benotet und eingestuft wurde. Je nach Einstufung hatte man anschliessend unterschiedliche Optionen. Dank guter Noten konnte ich dann auf eine gute weiterführende Schule gehen.

Wann hast du dich entschieden Biologie zu studieren?
Als ich mich damals für ein Hauptfach entscheiden musste und merkte, dass Physik ein sehr männerdominiertes Fach ist, wollte ich es nicht mehr studieren. Da ich in der Highschool einen hervorragenden Biologielehrer hatte, habe ich mich dann für Bioinformatik entschieden.

Und dann hast du China verlassen…?
Nein, nicht sofort. Nach dem College wollte ich zwar ins Ausland gehen, aber das war nicht so einfach, da ich in meiner Bachelorarbeit nicht wirklich biologisch geforscht hatte. Darum habe ich erst zwei Jahre als Research Technician am National Institute of Biological Sciences in Peking gearbeitet. Von dort habe ich mich dann für PhD-Programme in den USA beworben.

2013 hast du als PhD-Studentin an der Stanford University begonnen. Wie war dieser Schritt für dich?
Spannend, ich war vorher noch nie im Ausland. Und ich habe zum ersten Mal erlebt, wie schwierig es ist, ein Visum zu bekommen und wie viel Zeit es braucht. Tatsächlich erhielt ich mein Visum erst am Tag meines Vorstellungsgesprächs. Ich buchte sofort meinen Flug, nahm meinen Koffer und fuhr direkt zum Flughafen. Dank der Zeitverschiebung habe ich es tatsächlich rechtzeitig geschafft. Das war echt stressig, aber auch aufregend.

Und nach diesem Vorstellungsgespräch hast du dich für Kalifornien entschieden?
Ich hatte mehrere Angebote, aber für mich war es eine klare Entscheidung für Stanford. Als ich damals Peking verliess, schneite es. Und als ich auf dem Campus von Stanford ankam, sah ich, wie die Blumen blühten und die Leute draussen joggten. Die Gegend war extrem schön, friedlich und warm. Ich dachte nur: Das ist real. Stanford war sofort meine erste Wahl.

Wie unterscheidet sich die Forschung in China von der in den USA?
Aus meiner Sicht sind die Strukturen und Erwartungen recht unterschiedlich. In China haben Doktoranden weniger intellektuelle Freiheit bei der Gestaltung ihres Projekts. Diese sind oft vorgegeben und die Doktorarbeiten eher technisch ausgerichtet.

Für deinen Postdoc bist du an die University of California gegangen…
Ja, damals habe ich beschlossen, den akademischen Weg einzuschlagen. Während meiner Promotion habe ich mit einem der etabliertesten Modellorganismen gearbeitet – Hefe. Später, als Postdoc, habe ich dann zu einem eher untypischen Modell gewechselt: Jumbophagen. Und damit arbeite ich heute immer noch.

Worum geht es in deiner Forschung?
Ich interessiere mich für Phagen, also Viren, die nur Bakterien angreifen. Sie sind die am häufigsten vorkommenden und vielfältigsten biologischen Formen auf unserem Planeten. Man findet sie überall, vom menschlichen Darm bis zu den Weltmeeren. Jumbophagen sind riesige Phagen, die aussergewöhnlich grosse Genome besitzen und ähnliche Eigenschaften wie Eukaryoten haben.

Was macht sie so interessant?
Über Phagen weiss man noch relativ wenig, das macht sie für die Forschung besonders interessant. Wir möchten vor allem mehr darüber erfahren, wie Jumbophagen mit ihren Wirtsbakterien interagieren und sich gemeinsam mit ihnen weiterentwickeln. Dazu untersuchen wir die Mechanismen, mit denen Phagen dem bakteriellen Immunsystem entkommen. Und vielleicht können die Entdeckungen neue Wege aufzeigen, die Krise der antimikrobiellen Resistenz zu bekämpfen.

Während deines Postdocs hast du auch eine Zeit lang als Gastwissenschaftlerin am EMBL in Heidelberg gearbeitet und Europa da schon ein wenig kennengelernt.
Es war eine tolle Zeit und tatsächlich war der Aufenthalt am EMBL einer der Gründe, warum wir beschlossen haben nach Europa zu kommen. Heidelberg ist so schön, die Leute waren sehr freundlich und die Infrastruktur ausgezeichnet. Die Stadt hat mich gleich überzeugt. In Deutschland hatte ich auch die Möglichkeit, mein US-Visum zu verlängern uns so konnte ich meine Familie in China zu besuchen, bevor ich wieder in die USA zurückgekehrt bin.

Wie war es, in Deutschland zu arbeiten?
Arbeiten in Deutschland, zumindest am EMBL, fühlte sich ganz anders an als in den USA. In den USA macht man im Labor oft alles selbst. Es gibt keine gut ausgebaute Infrastruktur, die einen bei der Forschung unterstützt. In europäischen Instituten scheint es mehr solcher Facilities und Fachleute zu geben. Damals wollte ich einige Experimente durchführen, aber wir hatten in den USA keine Experten für diese Experimente. Daher war ich sehr froh über die Kooperation mit den Forschenden am EMBL.

Warum hast du dich schliesslich entschieden, ans Biozentrum zu kommen? Hattest du auch andere Optionen?
Ich hatte einige Angebote aus der Schweiz, Deutschland und Grossbritannien. Was mich dann aber am Biozentrum beeindruckt hat, war die Vielfalt der Forschungsgebiete unter einem Dach, und dass die Forscher mit zu den Besten ihres Fachs gehören. Auch die Infrastruktur mit den Technology Plattformen ist grossartig. Und was mich persönlich betrifft: Ich habe mich sofort in Basel verliebt.


Forschungsgruppe Yuping Li