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Grenzenlose Forschung

David Brückner liebt die Forschung an der Grenze von Biologie und Physik. Auch Ländergrenzen hat er dafür oft überschritten. Schon früh verschlug es ihn zum Studium nach Cambridge, zur Promotion nach München, als Postdoc nach Wien. Jetzt ist der gebürtige Hamburger neuer Assistenz Professor für Biophysik am Biozentrum. Seine Forschung ist seine Passion, ein Labor benötigt er dafür aber nicht. Auch andere Disziplinen wie Meeresbiologie hätten ihn interessiert, würde er nicht so leicht seekrank werden.

Dein CV beginnt in deiner Studentenzeit in Cambridge. Dort hast du viele Jahre gelebt. Aber was war davor? Wo hast du deine Kindheit verbracht?
Ich bin in Hamburg geboren und in Osnabrück aufgewachsen und zur Schule gegangen. Mit 15 habe ich dann ein Auslandsjahr in einem Internat in England, in der Nähe von Brighton, gemacht. In der Zeit sind meine Eltern nach Freiburg umgezogen. Ich bin aber in England geblieben und habe dort mein A-Levels gemacht. realisiert, wie interessant es ist, über biologische Fragestellungen wissenschaftlich nachzudenken. Und so habe ich mich speziell für Stellen im Bereich Biophysik beworben. Schon da war meine Idee, mithilfe von Physik komplexe Systeme in der Biologie zu verstehen. Und im Grunde mache ich das auch heute noch.

Du bist also quasi mit 15 schon ausgezogen? Und nach deiner Schulzeit ging es dann direkt weiter mit dem Studium in Cambridge?
Ja, genau. Der Plan war ursprünglich, dass ich ein Jahr nach England gehe. Am Ende wurden sechs daraus. In Cambridge habe ich meinen Bachelor in Natural Sciences gemacht, für den ich ein Stipendium aus Deutschland bekommen hatte.

Wo lag im Studium dein thematischer Schwerpunkt?
Ich habe mich auf Physik konzentriert und meinen Master dann in Theoretischer Physik gemacht. Trotzdem hatte ich schon seit meiner Schulzeit im Hinterkopf, irgendwann einmal zu versuchen, die mathematische Her- angehensweise der Physik mit den komplexen Fragen der Biologie zu kombinieren.

Und wann kam dann die Biologie dazu?
So richtig eigentlich erst im PhD an der LMU in München. Da habe ich realisiert, wie interessant es ist, über biologische Fragestellungen wissenschaftlich nachzudenken. Und so habe ich mich speziell für Stellen im Bereich Biophysik beworben. Schon da war meine Idee, mithilfe von Physik komplexe Systeme in der Biologie zu ver- stehen. Und im Grunde mache ich das auch heute noch.

Eine so lange Zeit in England prägt sicherlich. Vermisst du das Land, das sich in den letzten Jahren politisch recht verändert hat?
Tatsächlich habe ich zwei Tage nach dem Referendum, das den Austritt aus der EU besiegelt hat, das Land verlassen. Aber zurück zur Frage: Ich finde es immer wieder schön, in England zu sein. Aber stark vermissen tue ich es eigentlich nicht.

Warum bist du nach deinem PhD nach Österreich gegangen?
Als PhD Student habe ich aus einer recht physikalischen Perspektive am Verhalten einzelner Zellen gearbeitet. Während meines Postdocs in Österreich wollte ich dann gerne an der Embryogenese arbeiten, und Fragen beantworten, die auch für die Biologie selbst relevant sind.

Was genau erforscht deine Gruppe heute?
Ganz grob gesagt: Wir versuchen in komplexen biologischen Systemen physikalische Prinzipien zu finden. Konkret möchten wir verstehen, wie Zellen miteinander interagieren, um kollektives Verhalten zu organisieren. Wir schauen uns das vor allem in der Embryogenese an. Hier sind alle Zellen zu Beginn identische Stammzellen. Aus diesen Stammzellen müssen unterschiedliche Zelltypen entstehen, sich Muster entwickeln und das Ganze muss so aufeinander abgestimmt sein, dass der Embryo am Ende seine gewünschte dreidimensionale Form erhält. Wir entwickeln mathematische Modelle, die den Prozess der Embryogenese beschreiben und versuchen, Prinzipien in diesem Prozess zu finden.

Ihr arbeitet also nicht experimentell. Braucht dein Team dann überhaupt ein Labor?
Nein, wir brauchen vor allem Kollaborationspartner, die die Experimente im Labor durchführen, auf deren Basis wir unsere mathematischen Modelle entwickeln. Und dann ist das Ziel, dass wir wiederum Vorhersagen für neue Experimente machen können. 

Wer sind eure experimentellen Kollaborationspartner und mit welchen Modellorganismen arbeiten sie?
Hier in Basel arbeiten wir zum Beispiel mit Prisca Liberali, vom FMI und jetzt auch am D-BSSE. Ihre Gruppe arbeitet mit Organoiden. Und wir arbeiten auch international mit Gruppen unter anderem in den USA, Belgien, und Österreich zusammen.

Warum hat es dich ans Biozentrum gezogen? Hattest du hier schon Kontakte?
Kontakte hatte ich keine. Als ich mich beworben habe, kannte ich nur einige der PIs vom Namen her. Es ist gar nicht so einfach, Institute zu finden, an denen interdisziplinäre Forschung in einem solchen Ausmass wie am Biozentrum stattfindet und gefördert wird. Mir war wichtig, dass sowohl Physik als auch Biologie einen hohen Stellenwert haben und es eine direkte Schnittfläche im Bereich Biophysik gibt. Und tatsächlich ist das Biozentrum im Hinblick auf die Bandbreite interdisziplinärer Forschung ziemlich einzigartig.

Gibt es für deine Forschung auch am Biozentrum mögliche Kooperationspartner oder wichtige Facilities?
Absolut. Es gibt einige Überschneidungen und Anknüpfungspunkte mit den Gruppen von Alex, Knut und Jean: bei Alex im Hinblick auf die Embryogenese beim Zebrafisch und bei Knut und Jean, die andere Aspekte des multizellulären Lebens erforschen. Und auf molekularer Ebene könnte auch eine Zusammenarbeit mit Rod interessant sein, vor allem im Hinblick auf die Frage, wie einzelne Zellen Signale weiterleiten oder darauf reagieren. Und bei den Facilities ist es vor allem die Research IT, die für unsere Forschung wichtig ist.

Und du? Hättest du dir auch etwas anderes als Biophysik vorstellen können?
Es hätte vielleicht nicht unbedingt Biophysik sein müssen, aber auf alle Fälle Forschung. Ansonsten hätte ich mir auch vorstellen können, Archäologe, Meeresbiologe oder Tiefseeforscher zu werden. Letztere waren leider nichts für mich – ich werde einfach zu schnell seekrank.

Als eingefleischter Forscher, kannst du trotzdem gut abschalten?
Ich denke tatsächlich sehr viel über Forschung nach. Bevor ich am Biozentrum angefangen habe, habe ich mir aber zwei Monate freigenommen und bin mit dem Rucksack quer durch Südostasien gereist. Dort war ich tauchen – allerdings in Küstennähe, um nicht seekrank zu werden (lacht). Aber da habe ich tatsächlich komplett abgeschaltet.

Du hast in unterschiedlichen Laboren in verschiedenen Ländern geforscht. Wie blickst du jeweils auf diese Orte zurück?
Tatsächlich war die Forschungsumgebung an allen Orten relativ ähnlich: eine internationale Community mit aussergewöhnlich guter Forschung. Persönlich sind mir aus München auf jeden Fall die Nähe zu den Bergen und die Natur rund um die Stadt in Erinnerung geblieben. Auch dort kann man, wie hier im Rhein, im Fluss baden gehen. In Wien habe ich vor allem das Grossstädtische und die Kulturszene geliebt. Und in Cambridge war das Studentenleben sehr besonders – die ganze Stadt ist darauf ausgerichtet.

Und was reizt dich an Basel?
Ich wohne jetzt erst seit ein paar Wochen hier, fühle mich aber schon sehr wohl. Die Stadt ist wirklich schön, und ich freue mich besonders auf Ausflüge in alle Richtungen des Dreiländerecks und auf die Kunst- und Museumsszene in Basel.

Wie ist es mit deiner Familie? Sind alle Naturwissenschaftler?
Nein, gar nicht. Meine Frau ist in der freien Wirtschaft tätig. Meine Eltern sind beide Juristen, und mein Bruder studiert Theaterregie in Hamburg.

Forschungsgruppe David Brückner