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Markus Affolter über CRISPR/Cas9

Erst vor wenigen Jahren wurde die Genschere CRISPR/Cas9 entdeckt. Sie hat die Welt der Wissenschaft revolutioniert, denn noch nie war es so einfach, das Erbgut von Lebewesen zu verändern. In der Grundlagenforschung ist CRISPR mittlerweile ein weit verbreitetes Werkzeug. Doch wie sieht es mit der Anwendung ausserhalb der Forschung aus, wie weit darf man gehen und was sind die Risiken dabei?

Worin liegen die Vorteile von CRISPR/Cas9 gegenüber den früheren gentechnischen Methoden?
CRISPR/Cas vereint viele Vorteile. Diese Methode ist einfach, billig, aber vor allem sehr effizient und extrem präzise. Und sie lässt sich fast überall einsetzen, bei Pflanzen, Tieren, Bakterien, in Zellkulturen und auch beim Menschen.

Und wie funktioniert die Methode?
CRISPR ist eine molekulare Genschere, mit der man das Erbgut nicht nur punktuell verändern, sondern auch ganze Gene herausschneiden, veränderte DNA-Sequenzen einfügen oder einen Abschnitt markieren kann. Man benötigt dafür lediglich ein RNA-Molekül, welches die Zielsequenz im Erbgut spezifisch erkennt und die Schnittstelle bestimmt. Das Cas9-Protein schneidet die DNA dann an der vorgesehenen Stelle. Für die Forschung ist CRISPR sensationell. Ohne diese Methode würden viele Experimente deutlich länger dauern, einige wären sogar unmöglich.

Welches Potenzial hat CRISPR/Cas9?
Das Anwendungsspektrum von CRISPR ist extrem breit und geht weit über die reine Forschung hinaus. So könnten CRISPR-veränderte Mückenpopulationen die Ausbreitung von Malaria oder Dengue stoppen; genetische Defekte könnten korrigiert werden, um Menschen mit Erbkrankheiten zu heilen. Auch in der Pflanzenzüchtung gibt es viel Potenzial. Mit dem Klimawandel brauchen wir widerstandsfähige Pflanzensorten, die Trockenheit und Hitze besser vertragen. CRISPR ist da nicht nur viel effizienter, sondern auch erheblich risikoärmer als die klassische Zucht. Ich persönlich sehe für CRISPR ein enormes Potenzial in der Zukunft.

Gibt es auch Bedenken und Risiken?
In der Grundlagenforschung ist der Einsatz von CRISPR meiner Meinung nach unbedenklich, auch weil hier kein kommerzielles Interesse besteht und keine Freisetzungsversuche gemacht werden. Doch gerade bei der Anwendung ausserhalb der Forschung gibt es natürlich schon Bedenken und Risiken, die auf jeden Fall diskutiert werden sollten, auf wissenschaftlicher und auf gesellschaftlicher Ebene. Zum Beispiel, wie sinnvoll die Gentherapie in einem spezifischen Krankheitsfall ist, denn auch CRISPR arbeitet nicht fehlerfrei.

Wird unter den Wissenschaftlern darüber debattiert, wie weit man gehen darf?
Die hohe Geschwindigkeit mit der sich die Gentechnik weiterentwickelt, erfordert einen engen Austausch zwischen Forschern, Politikern und der Gesellschaft. Aus Anlass der CRISPR-Babys haben sich Wissenschaftler erst kürzlich für ein globales Moratorium ausgesprochen, das den Eingriff in die Keimbahn vorerst verbietet. Das Editieren der Keimbahn ist riskant, denn die Veränderungen werden an die Nachkommen weitervererbt. Das hat ernsthafte Konsequenzen – nicht nur medizinische, sondern auch gesellschaftliche, ethische und rechtliche. Der Eingriff in die Keimbahn ist für mich ein absolutes No Go. Es ist ethisch nicht vertretbar und auch nicht sinnvoll. In vielen Ländern, auch in der Schweiz, ist dies daher zu Recht gesetzlich verboten.

Forschungsgruppe Markus Affolter