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Prof. Richard Neher über Grippe

Jedes Jahr plagt uns aufs Neue eine Grippewelle. Richard Neher untersucht mit seinem Team die Verbreitung und Evolution des Grippevirus und prognostiziert, welches uns in Folgejahr erwartet. 

Wie erstellen Sie Ihre Prognosen?
Wir nehmen Genomsequenzen der Viren, die wir aus internationalen Influenzadatenbanken bekommen. Mit diesen Daten erstellen wir Stammbäume der Viren und können damit deren Entwicklung und Veränderung aufzeigen. Dies ermöglicht uns, den Behörden eine Empfehlung für die Zusammensetzung des neuen Grippeimpfstoffes zu geben.

Ihre Prognose bestimmt also den Impfstoff des kommenden Jahres?
Nicht ganz. In eine solche Entscheidung fliessen mehrere Aspekte mit ein. Es kann zum Beispiel passieren, dass eine Virusvariante prognostiziert wird, zu der man keinen Virusrepräsentanten in petto hat, der sich für einen Impfstoff eignet. Kurz gesagt: Man kann nicht immer technisch herstellen, was die Prognose empfiehlt. Ausserdem muss man bei der Herstellung sehr behutsam sein, denn ein Impfstoff mit einer Virusvariante, bei der man nicht mit Sicherheit sagen kann, wie sie sich in der Produktion verhält oder wie der Körper darauf reagiert, kann mehr Schaden anrichten als von Nutzen sein.

Wer trifft letztlich die Entscheidung, welcher Grippeimpfstoff im kommenden Jahr hergestellt wird?
Am Ende geben die Gesundheitsbehörden ein gutes halbes Jahr im Voraus eine Empfehlung an die Pharmafirmen heraus.

Warum so früh?
Es dauert etwa ein halbes Jahr, um einen neuen Grippeimpfstoff zu produzieren. Unsere Prognosen müssen also rund ein Jahr im Voraus vorhersagen, mit welchen Virusvarianten wir es im Folgejahr zu tun bekommen.

Ein Jahr ist lang. In dieser Zeit hat ein Virus noch viel Spielraum, sich zu wandeln…
Ja, man muss hoffen, dass der Impfstoff ein Jahr später tatsächlich die Grippeviren bekämpft, die dann auf der Welt kursieren. Ein bisschen Glück gehört also auch dazu. Unsere Prognosen treffen derzeit in etwa zu 75 Prozent zu.

Muss es denn immer wieder ein neuer Impfstoff sein oder kann man auch auf altbewährte zurückgreifen?
Nein, das geht leider nicht, denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine alte Virusvariante noch mal auftritt. Das Spiel beginnt also jedes Jahr wieder auf’s Neue.