Im Auftrag der Umwelt
Dezember 2018
Springschwänze, Regenwürmer, Mückenlarven, Zebrafische, Daphnien, Bienen, Hummeln und Bakterien – sie alle haben einen wichtigen Job bei Innovative Environmental Services (IES) Ltd. Mit ihrer Hilfe bestimmt das Unternehmen, wie giftig neue und bislang unbekannte Stoffe für die Umwelt sind. Wen und was es noch alles braucht, verrät uns Biozentrum Alumnus Gottfried Eisner.
Seit 2015 arbeiten Sie bei IES. Was war bisher Ihr spannendstes Projekt?
Das war ganz klar der Aufbau unserer Labore vor drei Jahren. Unsere Firma wollte sich um den Bereich aquatische Ökotoxikologie erweitern. Wir sind damals in ein komplett leeres Gebäude, eher eine Baustelle, gezogen. Es gab nichts was nach Labor aussah. Zu dritt haben wir Kataloge gewälzt und vom Spatel bis zum komplexen Analysegerät alles rausgesucht, bestellt, aufgebaut und zum Laufen gebracht. Ein Labor von Null an aufzubauen, hat zwar viel Mühe aber auch viel Spass gemacht. Und kürzlich habe ich eine Kläranlage en miniature gebaut. Das war auch ziemlich spannend.
Wozu braucht man eine Kläranlage im Labor?
Wir untersuchen die Toxizität von Substanzen auf die Umwelt, aber auch ob sie abgebaut werden oder sich in der Umwelt oder in Organismen anreichern. Neben Algen, Daphnien, Fischen und Mückenlarven testen wir die Stoffe auch an Mikroorganismen im Klärschlamm. In der Regel bekommen wir frischen Belebtschlamm aus der Kläranlage Birsfelden. Daran prüfen wir, nach international genormten Richtlinien, ob die Substanz in der Kläranlage Probleme verursachen könnte und wie schnell sie abgebaut wird. Unbedenklich sind Substanzen, die in einem 10 Tage-Fenster um bis zu mindestens siebzig Prozent abgebaut werden. Wir haben aber auch des Öfteren mit problematischen Stoffen zu tun. In einer Kläranlage im Labormassstab können wir solche besser und genauer prüfen.
Wie schwer war es, eine Kläranlage nachzubauen?
Das ist nicht so einfach. Als Biologe kenne ich zwar die mikrobiologischen Prozesse recht genau, aber von der technischen Umsetzung wusste ich nicht viel. Die Details und die Genauigkeit, die es zu berücksichtigen gilt, haben das ganze Projekt zu einer rechten Herausforderung gemacht. Wir mussten wie bei einer Kläranlage verschiedene Becken bauen, dafür sorgen, dass der Durchfluss konstant bleibt, die Belüftung, Temperatur und pH-Wert stimmen. Die zu prüfende Substanz musste zudem kontinuierlich mit gleichbleibender Konzentration appliziert werden. Und das über mehrere Wochen. Doch nun steht die Anlage und es lief auch schon eine erste Studie.
Und wenn es gerade keine besonderen Projekte gibt?
Dann kümmere ich mich um die ökotoxikologischen Studien. Als Prüfleiter entwerfe ich Studienpläne, die bis ins kleinste Detail die Laborarbeit festlegen, und überwache die Durchführung der Studie. Alle Arbeitsschritte müssen GLP* konform sein und alles wird genauestens protokolliert. Zum Schluss werte ich alle Ergebnisse aus und schreibe den Prüfbericht. Zu meinen Aufgaben gehören aber auch die Beratung von Kunden, Weiterbildungen, die Entwicklung und Evaluierung neuer Methoden und die routinemässige Überprüfung und Kalibrierung von Geräten.
Woher kommen die Kunden?
Hauptsächlich aus den Bereichen Pharma, Chemie oder Agrochemie. Bevor eine Firma eine neuartige Substanz auf den Markt bringen darf, muss diese einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Die Substanzen, die wir testen, sind sehr unterschiedlich. Es handelt sich zum Beispiel um Duftstoffe aus der Parfümindustrie, antibakterielle Stoffe in Holzfarben, Wirkstoffe gegen Krebs, neue Pestizidgemische oder Pflanzenextrakte. Wichtig zu erwähnen ist auch, dass unsere Studienergebnisse unabhängig sind und von den Kunden nicht beeinflusst werden können.
Dann kennen Sie die Giftigkeit einer neuen Substanz vorher also nicht?
Nein, meistens nicht. Die Stoffe, die uns die Auftraggeber schicken, sind diesbezüglich oft ein unbeschriebenes Blatt. Wir müssen daher immer vom Schlimmsten ausgehen und extrem vorsichtig mit der Substanz hantieren. Einmal mussten wir eine ziemlich explosive Substanz testen. Die haben wir im wahrsten Sinne des Wortes mit Samt-Handschuhen angefasst. Und es ist so, dass die Kunden bei besonders schwierigen Substanzen gerne zu uns kommen.
Sie haben an der Universität Jassy in Rumänien Biologie studiert. Wieso in Rumänien?
Ganz einfach, weil ich in Rumänien geboren und aufgewachsen bin. Seit Jahrhunderten gibt es dort zwei deutschsprachige Minderheiten, die reformierten Siebenbürgen Sachsen, zu denen ich gehöre, und die katholischen Banater-Schwaben. Ich wuchs in einer Kleinstadt in Transsylvanien auf – die Gegend gibt es wirklich. Damals lebten dort viele Ungarn, Deutsche und Rumänen. Wir Kinder sind daher dreisprachig aufgewachsen. Bereits in meiner Kindheit wanderten viele Rumäniendeutsche aus, obwohl es vor der Wende extrem schwierig war. Mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs und der neu gewonnenen Freiheit kam es dann zu Massenauswanderungen. Auch ich hatte mir in meiner Jugend viele Gedanken über meine Identität gemacht und gemerkt, dass mir die deutsche Seite näher ist.
Wann sind Sie schliesslich ausgewandert?
Ich bin am 3. Oktober 1997, mit Mitte zwanzig, als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Das Datum weiss ich noch ganz genau. Ich hatte zuvor ein Nachdiplomstudium in Ökologie abgeschlossen und arbeitete im Botanischen Garten. Für junge, gut ausgebildete Leute gab es aber keine Perspektiven. So habe ich mich auf den Weg nach Deutschland gemacht. Meine erste Station war ein Aufnahmelager in Rastatt.
Und wie ging es dann weiter?
Zunächst wollte ich zu Verwandten nach Gummersbach bei Köln, aber das «Aussiedlerkontingent» der Stadt war schon ausgeschöpft. Ich wurde dann zusammen mit zwei anderen Aussiedlern in einer kleinen Wohnung in Köln einquartiert. In dieser Zeit habe ich eine Fortbildung zum Umweltbeauftragten und anschliessend ein Praktikum in der Kläranlage Köln gemacht. Währenddessen habe ich mich nach Promotionsstellen umgeschaut und bin so nach Freiburg im Breisgau gekommen. Ich habe im Labor von Prof. Matthias Müller über Proteintransport promoviert. Mit einem raffinierten Trick untersuchten wir wie eine neusynthetisierte Polypeptidkette am Ribosomen erkannt, und Richtung Zellmembran geleitet wird.
Wann erschien das Biozentrum auf der Bildfläche?
Nach meiner Promotion bin ich mit einem EMBO Fellowship in der Tasche zu Prof. Guy Cornelis ans Biozentrum gekommen. Die Gruppe versuchte mit verschiedenen Techniken herauszufinden, welche Proteine am Aufbau des T3-Sekretionssystems in Yersinia beteiligt sind. Ich wollte meine Methoden in diesen Bakterien etablieren und den schrittweisen Zusammenbau des Injektionsapparates in Membranvesikeln verfolgen. Mit meinem Projekt war ich ein wenig der Exot in der Gruppe. Nach Ablauf meines EMBO Fellowship, forschte ich noch ein Jahr bei Prof. Andreas Engel. Aber da war mir eigentlich schon klar, dass ich die Uni verlassen wollte.
Und so sind Sie dann in die Privatwirtschaft gewechselt…
Ich dachte mir, es ist einfacher in einer kleineren Firma den «Neuanfang» zu wagen. So habe ich mich bei der Umweltanalytik-Firma RCC beworben und dort meine erste Stelle im Bereich Ökotoxikologie angetreten. Allerding wurde RCC bald von der Firma Harlan gekauft, die bereits in England ein ähnliches Labor hatte. Für uns, als Schweizer Standort, brach eine schwierige Zeit an und schliesslich wurde er geschlossen. Zum Glück wurde unsere Expertise bei IES gebraucht. Viele meiner jetzigen Kollegen haben früher bei RCC, respektive Harlan gearbeitet und ich bin froh, dass wir beweisen konnten, dass wir auch als Schweizer Labor auf dem Weltmarkt bestehen können.
Beeinflusst Ihre Arbeit Ihr Privatleben?
Ich versuche natürlich schon, so umweltbewusst wie möglich zu leben. In der Schulklasse meines Sohnes habe ich auch mal ein Projekt mit unseren Labormücken, vom Eiergelege, über die Larven bis zum Schlupf der ausgewachsenen Insekten, durchgeführt. Ich finde es wichtig zu zeigen, dass wir mit unserer Arbeit Umweltgifte aufdecken und verhindern, dass sie verwendet werden. Es existieren diesbezüglich sehr strenge Gesetze und wir helfen dabei sie umzusetzen. Wir sind also die Guten (lacht).
Curriculum vitae
Gottfried Eisner ist seit 2015 Prüfleiter für ökotoxikologische Studien bei der Firma Innovative Environmental Services (IES) Ltd. in Witterswil bei Basel. Er hat an der Universität Jassy, Rumänien, Biologie mit Schwerpunkt Ökologie studiert und anschliessend an der Universität Freiburg in Deutschland promoviert. Mit einem EMBO Fellowship kam er als Postdoc ans Biozentrum und forschte zunächst in der Gruppe von Prof. Guy Cornelis und danach bei Prof. Andreas Engel. Im Anschluss wechselte er zu RCC Ltd und später zu Harlan Laboratories. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Grenzach, Deutschland.
* Good Laboratory Practice: Standards für die Sicherheitsprüfungen an Chemikalien, Arzneistoffen etc. GLP ist in der Schweiz gesetzlich vorgeschrieben.