Wenn Biologie zur Lebensaufgabe wird
Dezember 2020
Er hegt und pflegt die Drosophila Fliegenstämme von Walter Gehring, ein altes Biozentrum PCR Gerät, seine Leidenschaft für die Basler Fasnacht sowie einen Schlüssel zum Spalentor. Biozentrum Alumnus Sacha Glardon ist leidenschaftlicher Biologe, ein Tausendsassa und auch 20 Jahre nach seinem Weggang noch immer stark mit dem Biozentrum verbunden.
Sacha, auch 20 Jahre nach deinem Weggang trifft man dich immer wieder im Biozentrum an, wie kommt das?
Ich habe das Biozentrum nie ganz losgelassen. Ich wohne ganz in der Nähe und habe sehr gute Beziehungen zu einigen Professoren, die damals auch im Gehring-Labor forschten, wie Alex Schier oder Markus Affolter. Ich komme auch zu den öffentlichen Vorlesungen, die das Biozentrum anbietet, die finde ich unheimlich spannend − manchmal auch mit meinen Klassen − oder ich klopfe an, wenn ein Schüler mal eine Maturarbeit in Biologie schreiben will. Die Bereitschaft mich zu unterstützen und mit mir Projekte durchzuführen war immer gross. Erst kürzlich hat mich Alex kontaktiert, weil das Biozentrum ein Programm, welches die Biologie zu den Schülern nach Hause bringt, aufgleisen will. Auch haben wir am Bäumlihof Gymnasium eine alte PCR-Maschine und noch Stämme von Walter Gehrings Drosophila-Fliegen, die das Biozentrum nicht mehr benötigte. Auch da bekam ich einen Anruf, ob wir so etwas gebrauchen könnten. Das war echt super.
Wie lange warst du denn nach deinem Studium noch am Biozentrum?
Knapp 10 Jahre. Nach meiner Diplomarbeit bei Walter Gehring, hatte ich die Möglichkeit bei ihm zu promovieren. Diese ergriff ich natürlich, schliesslich war das die spannende Zeit, als es darum ging, herauszufinden, wie Augenentwicklung gesteuert wird.
Wie war es denn im Labor von Walter Gehring?
Es war eine unglaublich spannende Zeit und hat mir sehr viel Spass gemacht. Walter war ja der einzige Zoologe am Biozentrum und brachte diese unglaubliche Vielfalt an Tieren in seine Forschung mit ein. Seine Fragestellung waren so allumfassend, vom Atom bis zum Organismus. Es war das Gesamte, das ihn stets interessierte, und mich persönlich auch faszinierte.
Dann war also die Arbeit mit der Drosophila-Fliege auch dein Schwerpunkt?
Nein, ich habe in meiner Doktorarbeit mehr mit Seescheiden und Amphioxus gearbeitet und eine Gendatenbank dieser Meerestiere erstellt. Mein absolutes Highlight war der Kurs «Entwicklungsbiologie maritimer Organismen», den Walter jeweils am Meeresbiologischen Institut «Banyuls sur Mer» durchführte und ich assistierte. In Basel war Walter stets der international sehr «gewichtige», unnahbare Professor, mit dem man als Doktorand per Sie war. In Banyuls war er ein ganz anderer Mensch. Ich durfte ihn von seiner persönlichen Seite kennenlernen und hatte immer eine super Zeit dort.
Wolltest du danach nicht in der Forschung bleiben?
Nein, ich wollte keine Professur an einer kleinen Universität irgendwo im Ausland annehmen, sondern in Basel bleiben. Ich habe einen starken, emotionalen Bezug zu meiner Heimatstadt und bin sehr gerne hier. Ich bin zwar noch ein Jahr als Post-Doc bei Walter geblieben, jedoch habe ich dort bereits gemerkt, dass mir die Pädagogik sehr liegt. Ich war Assistent in den Blockkursen und wenn Schulen für Führungen anfragten, habe ich das immer gerne getan. Auch einen Abstecher in die Life Sciences Industrie habe ich gemacht. Ich habe dort klinische Studien aufgegleist, aber das war reine Schreibtisch-Forschung. Irgendwann habe ich gemerkt, dass das nichts für mich ist.
Und dann bist du Lehrer geworden?
Ja. Mir bot sich dann die Gelegenheit als Senior Post-Doc zurück ins Gehring-Labor zu gehen. Während diesen drei Jahren besuchte ich Didaktik Vorlesungen und lernte dort einen Biologie-Lehrer vom Bäumlihof kennen. Er hat mir mehr über den Lehrerberuf erzählt und da merkte ich, dass dies mein Weg ist. Jetzt unterrichte ich schon seit 16 Jahren Biologie und Chemie.
Was fasziniert dich am Lehrerberuf?
Als Biologielehrer kann ich, auch wenn ich mich an den Lehrplan halten muss, doch sehr viel selbst gestalten und mich ganz allgemein mit Biologie befassen. Wäre ich in der Industrie oder der akademischen Forschung geblieben, wäre ich in irgendeinem Gebiet zum Spezialisten geworden, würde internationale Meetings besuchen und hätte wahrscheinlich ein ganz anderes Renommee. Als Lehrer habe ich zwar an Spitze verloren, dafür sehr viel in der Breite gewonnen. Ich liebe meine Tätigkeit und den Kontakt zu den Jugendlichen mit ihrer ansteckenden Energie.
Welche Art von Biologie möchtest du deinen Schüler vermitteln?
Mein Ansatz ist ihre Neugierde zu wecken und dass ich nicht nur künftigen Biologen, sondern zum Beispiel auch künftigen Juristen, die Biologie nahebringen will. Denn diese zwei Wochenstunden bei mir werden alles sein, was sie an Wissen über Biologie auf ihren Lebensweg mitnehmen werden. Ich vermittle wichtige Dinge wie Ökologie und Nachhaltigkeit. Ich möchte aber auch, dass sie in der Gentechnik gewisse Basics verstehen, damit sie dann nachvollziehen können, was zum Beispiel die CRISPR/Cas Methode ist. Da ich durch meinen Werdegang einen experimentellen Zugang zur Biologie habe, mache ich natürlich auch sehr viele Experimente mit den Schülern. Ich lasse sie zum Beispiel untersuchen, wie schnell ein Schleimpilz wächst. Dazu müssen sie Daten erheben, Fotos machen, Pixel zählen und Kurven erstellen. Mir ist sehr wichtig, dass sie die Naturwissenschaften nicht nur deskriptiv erfahren, sondern lernen Daten zu erheben und diese qualitativ und quantitativ zu analysieren. Zudem hat die Biologie gesellschaftlich eine wichtige Aufgabe. Mit den modernen Life Sciences durchdringt sie inzwischen unser ganzes Leben. Oder wir sehen es ganz aktuell an Corona: Die Biologie nimmt eine dominierende Rolle in unserem Leben ein.
Apropos Corona: Bist du während des Lockdowns speziell darauf eingegangen?
Ja, wir beschäftigten uns in dieser Zeit mit Immunologie. Die Schüler waren sehr motiviert und wollten mehr darüber erfahren was in unserem Körper passiert, wie er sich verteidigt, wie Viren funktionieren oder was der Unterschied zwischen einer Epidemie und einer Pandemie ist. Wir haben auch anhand von Zeitungsartikel diskutiert und uns angeschaut, wie man die Kurven liest.
Und was machst du, wenn du nicht unterrichtest?
Ich bin sehr in das Gesellschafts- bzw. Fasnachts- und Zunftwesen von Basel eingebunden, überspitzt gesagt bin ich ein «Vereinsmeier». Dies war vielleicht auch der Grund, weshalb ich nie weg von hier wollte. Ich bin in einer Fasnachtsclique seit ich ein kleiner Junge bin. Dort wurde ich dann mal Präsident und da das Stammlokal der Clique die Safranzunft ist, bin ich dort auch Mitglied geworden und mittlerweile im Vorstand. Und ich bin auch noch in der «Vorstadtgesellschaft zur Krähe», welche im Spalentor zuhause ist. Ich habe also einen Schlüssel zum Spalentor und war dort auch schon mit Biozentrum-Kollegen. Und nicht zuletzt gehe ich leidenschaftlich gerne ins Theater Basel. Das mache ich privat, aber auch mit meinen Schülern.
Lebenslauf
Sacha Glardon arbeitet seit 16 Jahren am Gymnasium Bäumlihof als Biologie- und Chemielehrer. Er studierte Biologie am Biozentrum und war danach knapp 10 Jahre Doktorand und Postdoktorand in der Gruppe von Prof. Dr. Walter Gehring. Er ist Vater von zwei Töchtern und lebt in Basel.