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Was hat ein Shogun in einem Labor zu suchen?

Mai 2013

Ein Shogun war in der japanischen Geschichte ein Militärgeneral, der eine Armee von Samurais anführte. Heute scheinen ein gewisser Shogun und seine Samurais eine wichtige Rolle im Labor von Biozentrum Alumnus Thomas Walz, Professor für Zellbiologie an der Harvard Medical School, zu spielen. ALUMNInews befragte ihn zu seiner akademischen Laufbahn, seinen Wurzeln im Biozentrum und natürlich zu seiner Beziehung zur japanischen Kultur?

Was hat es mit der japanischen Art des Walz Labors, die Sie auf Ihrer Webseite über Jahre präsentiert haben, auf sich?

Mein Doktorvater Prof. Andreas Engel ermöglichte mir während mehreren Monaten im Labor von Prof. Yoshinori Fujiyoshi in Japan zu arbeiten. Das war der Anfang meiner dauerhaften Faszination für Japan, das japanische Volk und die japanische Kultur, die sich ja von der unsrigen recht stark unterscheidet.

Welches ist Ihr aktuelles Forschungsthema?

Ich nutze die molekulare Elektronenmikroskopie, um die Struktur von Membranproteinen in ihrer natürlichen Umgebung, den Lipid-Doppelschichten, zu bestimmen und erforsche, wie makromolekulare Komplexe ihre Funktion erfüllen.

Wann erwachte Ihre Leidenschaft für die Elektronenmikroskopie?

Während eines Blockkurses am Biozentrum untersuchten wir mit dem Elektronenmikroskop T4 Viren. Ich war erstaunt zu sehen, wie Proteine sich zu äusserst komplexen Maschinen zusammenfügen. Durch dieses Erlebnis erwachte meine Begeisterung für die Elektronenmikroskopie, denn sie erlaubte mir die eigentlichen Strukturen zu sehen.

Gab es einen bestimmten Moment, indem Sie sich entschieden, Forscher zu werden?

Ich wollte immer Entdecker werden, um Dinge zu sehen, die zuvor noch niemand gesehen hat. Als ich älter wurde, wurde mir bewusst, dass das nicht wirklich ein realistisches Ziel ist. Ich entschied mich deshalb, am Biozentrum zu studieren. Und in gewisser Weise sehe ich ja jetzt mithilfe des Elektronenmikroskops Dinge, die zuvor noch niemand gesehen hat.

Warum haben Sie sich für eine akademische Laufbahn entscheiden und haben Sie je in Erwägung gezogen in der Industrie zu arbeiten?

Etwas anderes als die akademische Forschung kam für mich nie in Frage. Mein Interesse galt schon immer der Grundlagenforschung. In den letzten Jahren begann ich mich jedoch verstärkt für die Anwendung von Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung bei der Entwicklung von Medikamenten zu interessieren und so stehe ich kurz vor der ersten Zusammenarbeit mit einem biotech Unternehmen.

Wurden Sie in Ihrer Forschungskarriere jemals mit unvorhersehbaren Hürden konfrontiert?

In nahezu jedem Forschungsprojekt stösst man auf Hindernisse. Für mich ist es jedoch genau das, was so grossen Spass an der akademischen Forschung macht - innovative Weg zu suchen, um die Probleme zu überwinden und schliesslich zur richtigen Antwort zu gelangen.

Haben Sie Ihre berufliche Karriere geplant oder hat sie sich eher zufällig entwickelt?

Meine Karriere hat sich definitiv durch Zufall entwickelt. Die einzige bewusste Entscheidung, die ich je getroffen habe war, in Europa zu bleiben.Aber das ist ja nun auch nicht so gekommen wie geplant.

Sie sind vor vierzehn Jahren nach Boston gezogen. Was schätzen Sie am meisten in den USA und was vermissen Sie?

Mir gefällt die wissenschaftliche Freiheit und die völlige Unabhängigkeit, die ich von Anfang genossen habe, aber ich vermisse die kulturelle Vielfalt Europas.

Die USA sind einer der attraktivsten Orte für Forscher weltweit. Warum ist das so?

Für mich macht die USA attraktiv, dass an Orten wie Boston, San Francisco und New York die Forschungsgemeinschaft einfach überwältigend ist, sowohl was Grösse als auch  Qualität anbelangt.

Welche Erfahrungen haben Sie vom Biozentrum mit auf Ihren Weg in die weite Welt genommen?

Meine Ausbildung am Biozentrum hat mir den Wert einer breiten und soliden Wissensbasis, klaren Denkens und harter Arbeit aufgezeigt. Noch heute, zwei Jahrzehnt später, profitiere ich von dem, was ich am Biozentrum gelernt habe.

Sie haben vor über 15 Jahren das Biozentrum verlassen. Als Alumnus, was empfinden Sie dem Biozentrum gegenüber und welches sind Ihre besten Erinnerungen an diese Zeit?

Ich fühle mich dem Biozentrum nach wie vor verbunden. Es wird immer der Ausgangspunkt meiner wissenschaftlichen Karriere bleiben. Besonders die Zeit in Andreas Engels Gruppe habe ich sehr genossen. Wir waren alle begeistert und sehr motiviert. So machte es Spass, bis spät in die Nacht zu arbeiten.

Haben Sie noch viele Kontakte zu anderen Biozentrum Alumni?

Leider nur mit wenigen, wahrscheinlich weil wir in unterschiedlichen Erdteilen leben und in unterschiedlichen Forschungsgebieten arbeiten.

Würden Sie uns eine Anekdote aus Ihrer Zeit als Doktorand am Biozentrum erzählen?

Ich landete in Andreas Engels Gruppe, weil ich beim Münzen werfen um eine Doktorandenstelle in einer anderen Gruppe verloren hatte. Meine Karriere ist fast ausschliesslich auf solche Zufälle gebaut und diese spezielle Niederlage war im Nachhinein wohl mein grösster Gewinn. 

Lebenslauf
Thomas Walz ist Professor für Zellbiologie an der Harvard Medical School, Leiter der beiden dortigen Elektronenmikroskopie Einrichtungen sowie designierter Forscher des Howard Hughes Medical Institute. Er studierte an der Universität Basel und promovierte 1996 am Maurice E. Müller Institut am Biozentrum in Biophysik. Als Doktorand arbeitete er in der Gruppe von Prof. Andreas Engel an der Aufklärung der Struktur von Membranproteinen, insbesondere der Aquaporine. Darauf folgte ein Postdoc am Krebs-Institut an der Universität Sheffield (UK). 1999 wurde er Assistenzprofessor an der Harvard Medical School, wo er 2007 zum ordentlichen Professor befördert wurde. Ein Jahr später wurde er zudem als Forscher ans Howard Hughes Medical Institute gewählt. Der Strukturbiologe nutzt die modernsten Techniken der Elektronenmikroskopie als leistungsstarkes Werkzeug, um die Struktur einer Vielzahl biologischer Moleküle zu untersuchen.