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Raus aus der Komfortzone

November 2019

Die eigene Komfortzone zu verlassen, kann manchmal beängstigend sein, doch vor allem ist es eins: bereichernd und immer auch eine Chance, etwas komplett Neues zu wagen. Catherine Brun spricht aus eigener Erfahrung. Die Biozentrum Alumna hat nicht nur den Sprung nach Übersee gewagt, sondern auch beruflich Neuland betreten.

Sie haben als Postdoc eine Zeit lang in Kanada gelebt. Inwieweit war das eine Herausforderung?
Damals bin ich davon ausgegangen, dass sich das Leben in Kanada nicht so sehr von unserem hier unterscheiden würde. Doch ich habe schnell gemerkt, dass ich meine Komfortzone verlassen muss. Ehrlich gesagt, war es anfangs ein gewisser Kulturschock. In Kanada muss man sich mehr verkaufen und muss ständig zeigen, wie gut man ist. Auch wenn es nicht immer einfach war, haben mein Partner und ich letztendlich sehr positive Erfahrungen gemacht. Aber die Kanadier sind grundsätzlich sehr aufgeschlossen und gastfreundlich. Das hat enorm geholfen.

Ging es anderen auch so?
Meine Kollegen aus Portugal, Deutschland, den Niederlanden oder Frankreich, wir Europäer, hatten alle das gleiche Gefühl. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass wir in Europa alle eine sehr ähnliche Kultur haben, die uns prägt. Wenn man europäisch denken und fühlen möchte, dann muss man ins aussereuropäische Ausland gehen. Dann spürt man, dass uns viel mehr vereint als trennt.

Nach dem Postdoc kehrten Sie in die Schweiz zurück und arbeiten seitdem beim ETH-Rat. Wie kam das?
In Kanada ist mir recht schnell klar geworden, dass ich nicht mehr aktiv in der Forschung arbeiten möchte. Ich hatte das Interesse verloren, immer tiefer ins Detail zu gehen. Mein Problem war, dass ich die Fragen in der Forschung spannend fand und die grossen Ideen. Aber im Endeffekt stellt man sich im Labor tagtäglich die Frage, warum das Experiment nicht funktioniert hat. Da mich Wissenschaftspolitik, Strategien und Funding schon lange interessierten, habe ich nach Stellen in diesem Umfeld gesucht. Dass ich die Stelle im Stab des ETH-Rat bekommen habe, darüber bin ich immer noch froh. Denn wenn man einen ganz neuen Job anfängt, weiss man nie so genau, was wirklich auf einen zukommt.

So einfach ist es ja nicht, Ideen für Alternativen zur Forschung zu bekommen. Wie war das bei Ihnen?
Ein Kollege, der die Forschung verlassen hatte, gab mir den Ratschlag, mich umzuschauen, was meine Kommilitonen jetzt so machen. Damals habe ich mein LinkedIn-Profil häufig dafür genutzt, mich zu informieren und um besser entscheiden zu können, in welche Richtung ich mich weiterentwickeln möchte. Ich habe dafür eine Menge Leute getroffen und sie über ihren Job ausgefragt. Einiges habe ich auch selbst ausprobiert, zum Beispiel habe ich an einem Wissenschafts-Blog mitgeschrieben der von der kanadischen Krebsliga betrieben wurde und sich an die Öffentlichkeit richtete.

Und was gehört jetzt zu Ihren Aufgaben im ETH-Rat?
Jetzt gehöre ich zur akademischen Administration; wir arbeiten eher hinter den Kulissen und sorgen dafür, dass der Wissenschaftsbetrieb rund läuft. Ich gehöre zum Stab und wir bereiten alle Geschäfte für den ETH-Rat vor. Zu meinen Aufgaben im Bereich Wissenschaft gehören insbesondere die Professorengeschäfte und die Chancengleichheit. Und wir schauen, dass der ETH-Rat seine Controlling-Aufgaben wahrnehmen kann. Das heisst, er muss schauen, ob die Ernennung eines Professors in die geplante Strategie passt. Oder ob die vom Bund gesprochenen Gelder richtig eingesetzt werden. Wir mischen uns ein, wenn es nicht nach den Richtlinien oder Vorgaben geht. 

Welche Institutionen gehören zum ETH-Bereich?
Dazu gehören die ETH Zürich, das EPFL in Lausanne, das Paul Scherrer Institut PSI, das Forschungsinstitut für Materialforschung und Technologie (Empa), die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und das Wasserforschungsinstitut (Eawag). Der ETH-Bereich ist dem Bund, also dem Staat zugeordnet.

Welche Aufgaben hat der ETH-Rat?
Der ETH-Rat ist das strategische Leitungs- und Aufsichtsorgan des ETH-Bereichs.  Er sitzt an der Schnittstelle zwischen den Bundesbehörden und den ETH-Institutionen. Die einzelnen Hochschulen verfügen dennoch über eine grosse Autonomie. Sie sind selbständig und verwalten sich auch selbst. Die strategischen Ziele für den ETH-Bereich werden vom Bundesrat festgelegt. Der ETH-Rat kümmert sich um deren Umsetzung, verteilt die Bundesmittel, ist für das Controlling zuständig und gibt Empfehlungen. Er legt beispielsweise die Forschungsschwerpunkte für die kommende Periode fest, befasst sich auch mit grossen Forschungsinfrastrukturen und publiziert Evaluations- und Geschäftsberichte sowie Stellungnahmen zu bestimmten Themen.

Was finden Sie mit am Spannendsten?
Vor allem, dass es mit jeder Strategie etwas Neues gibt. Der Bereich Chancengleichheit war, bevor ich anfing, absolutes Neuland für mich. Für mich ist es besonders befriedigend, wenn ich an neuen Dingen arbeiten kann.

Müssen Sie auch viel recherchieren, was andere Institutionen so machen?
Auf jeden Fall. Und interessanterweise, das hätte ich nie gedacht, brauche ich auch heute noch viel von dem, was ich als Forscherin gelernt habe. Es gibt immer neue Fragen oder Probleme, und ich muss eine passende Lösung finden. Ich recherchiere zu Gesetzen und lese Manuskripte. Ich arbeite mit meinem Team, wir sind acht, eng zusammen, tausche mich aber auch mit den Kollegen aus den anderen Bereichen wie Immobilien, Kommunikation, Finanzen, Personal und Recht aus. Die Mischung an Leuten ist ganz wichtig, um zu einer guten Lösung zu kommen.

Wie haben Sie sich das Wissen angeeignet?
Learning-by-doing. Meine Kollegen haben mich natürlich tatkräftig unterstützt und sie haben mir genügend Zeit gegeben, mich einzuarbeiten. Ich habe unterschiedlichste Wissenschaftsbetriebe kennengelernt, war erst in Fribourg, dann am Biozentrum, später an der ETH Zürich und zuletzt in Toronto. Es fällt mir nicht schwer mich auf Neues einzulassen und das politische Parkett hat mich von jeher interessiert. Ich glaube, diese Kombi hat vieles leichter gemacht. Aber es war trotzdem eine Herausforderung, aber im positiven Sinne.

Sie haben nach dem Studium Ihren Master am Biozentrum gemacht. Zuvor haben Sie in Fribourg Biochemie studiert. Warum der Wechsel damals?
Ich suchte für meinen Master ein spannendes Projekt und bin auf die Forschung von Mike Hall aufmerksam geworden. Das Thema hat mich sofort fasziniert, die Forschungsgruppe war sehr international, wir haben nur Englisch geredet. Ich war sehr frei. Es fühlte sich gar nicht wie Arbeiten an. Da wurde mir auch klar, dass ich auf jeden Fall noch einen PhD machen möchte.

Ist Ihnen aus dieser Zeit etwas Besonderes hängen geblieben?
Mein Partner (lacht). Unsere Wege haben sich das erste Mal in Basel beim UniSport gekreuzt. Er hatte damals in Muttenz Architektur studiert. Jetzt haben wir einen Sohn und das zweite Kind kommt bald.

Er war demnach auch mit Ihnen zusammen in Kanada?
Ja, mein Freund hatte auch Lust weg zu gehen und mal etwas anderes auszuprobieren. Für mitziehende Partner, auch wenn man nicht verheiratet ist, ist es in Kanada einfacher ein Visum zu bekommen. Dieses offene Visum ist aber an die Arbeit des Partners gekoppelt.

Konnte Ihr Partner dort als Architekt arbeiten?
Nein, das ging leider nicht. Es war für ihn gar nicht so einfacheinen Job zu finden. Doch er hatte Glück, eine kleine Firma, bei der die Frau vom Chef Schweizerin war und die Ausbildung hier kannte, hat ihn dann als Zimmermann angestellt. Diesen Beruf hatte er ursprünglich einmal gelernt.

Wie managen Sie jetzt Familie und Beruf?
Ich arbeite 80 Prozent und pendle vier Tage nach Bern, manchmal aber auch nach Zürich. Mein Partner arbeitet ebenfalls 80 Prozent. So können wir uns die Kinderbetreuung gut aufteilen.

War es schwer für ihn, nach der Rückkehr am Arbeitsmarkt wieder Fuss zu fassen?
Das ging zum Glück gut. Wenn man seinem Partner ins Ausland folgt, muss man zwar mit dem Risiko leben, erstmal keine Arbeit zu haben. Dafür ist man aber auch ganz frei. Es ist eine tolle Chance, etwas Neues zu wagen. Nach unserer Rückkehr hat mein Partner sein eigenes Architekturbüro eröffnet. Von Null auf anzufangen, darin haben wir ja beide Übung.

Curriculum vitae

Seit 2015 arbeitet Catherine Brun als wissenschaftliche Mitarbeiterin im ETH Rat und ist dort im Bereich Wissenschaft tätig. Sie studierte Biochemie an der Universität Fribourg und machte ihren Master am Biozentrum, in der Gruppe von Prof. Michael Hall. Anschliessend promovierte sie an der ETH Zürich und forschte danach als Postdoc am Mount Sinai Hospital in Toronto, Kanada.